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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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denke, es ist in unser aller Interesse, wenn wir Eure Pläne anhören.« Und während sich der Ausdruck des Unmuts auf seinem Gesicht langsam verflüchtigte, streckte er die Hand aus und half dem großen Krieger dabei, seinen Lord in den Schutz des Hauses zurückzuführen.
    Die alten Parkettböden quietschten, als die Bediensteten hin und her eilten, um wegen der aufkommenden Brise aus dem Süden die Läden und Vorhänge zuzuziehen. Der nahende Sturm jagte die Wolken über das silberne Antlitz des Sees, die frühen, aber unmißverständlichen Vorzeichen der Regenzeit. Der Geruch des Regens vermischte sich mit dem Duft von Möbelöl und Staub, der in das kleine Arbeitszimmer eingedrungen war. In dieses abgeschiedene Gemach hatten sich Jingu und seine Vorgänger stets zurückgezogen, wenn sie ihre geheimsten Intrigen sponnen. Die bemalten Fensterläden waren klein, um mögliche Lauscher auf der anderen Seite abzuschrecken, und doch war die Luft hier niemals stickig.
    Incomos Knochen schmerzten von der Feuchtigkeit. Er bekämpfte das Bedürfnis, die Stirn zu runzeln, und ließ sich ordentlich auf den Kissen gegenüber dem Platz des Lords nieder. Desio thronte auf einem reichhaltigen Nest aus Kissen auf einem fünf Zentimeter hohen Podest. Ein Vorfahre aus längst vergangenen Tagen hatte beschlossen, daß ein Herrscher sich jederzeit über seine Untergebenen erheben sollte, und die meisten Räume in den älteren Teilen des Herrenhauses zeigten noch Spuren dieser Überzeugung.
    Incomo war mit den Unbequemlichkeiten der unterschiedlich hohen Gänge und der einen halben Schritt erhöhten Fliesen auf bestimmten Fluren aufgewachsen; neue Bedienstete fielen jedoch immer durch häufiges Stolpern auf. Incomo war in Gedanken mit den Spionen beschäftigt, und verdrießlich überlegte er, welche Makler oder Bediensteten am unbeholfensten gewesen waren, während sie dem verstorbenen Lord gedient hatten. Daß ihm niemand auf Anhieb einfiel, verstärkte das Unbehagen des Ersten Beraters noch. Mißmutig wartete er auf seinen Herrn.
    Die Diener waren schon wieder fort, als Desios Rüstung aufgeschnürt und er von der schweren Zeremonienkleidung befreit werden konnte. Er zog jetzt eine orangefarbene Seidenrobe an, auf der schwarze Symbole aufgenäht waren – sie kündeten vom Wohlstand des Hauses Minwanabi. Desio hielt sich nicht noch mit einem Bad auf, wie sein Vater es stets getan hatte, und so roch er leicht nach dem Schweiß der Aufregung, als er zusammen mit seinem Cousin eintrat und seinen gewaltigen Körper auf den kostbaren, goldgesäumten Kissen niederließ, die von seinen Vorfahren schon ganz abgesessen waren. Desio war aufgewühlt. Incomo kam zu dem Schluß, daß er aussah, als würde er eine Erkältung bekommen, im ganzen Gesicht blaß wie Schilfpapier, abgesehen von der rosa Nase. Neben ihm wirkte sein Cousin braungebrannt, geschmeidig und gefährlich.
    Während Desio hin und her rutschte, um eine bequeme Position zu finden, ließ Tasaio sich ebenfalls nieder und stützte die Ellbogen auf die Knie. Im Gegensatz zu Desios Zappeln verströmte Tasaio die angespannte Ruhe eines Raubtiers, das die Witterung aufnimmt.
    Tasaio hatte in den vergangenen vier Jahren, die er in den Kriegen gegen die Barbaren gedient hatte, nichts verloren, entschied Incomo. Der Krieg hatte sich nicht so gut entwickelt, wie es nach den Versprechungen des Kriegsherrn zu erwarten gewesen wäre, und trotzdem hatte die Zeit, die er weit entfernt vom Spiel des Rates verbracht hatte, den Verstand des jungen Mannes nur noch mehr geschärft. Er war zum höchsten Offizier Almechos, des Kriegsherrn, aufgestiegen und hatte große Vorteile für die Minwanabi erzielt – bis Jingus Tod sie erniedrigt hatte.
    »Geschätzter Cousin, Erster Berater«, eröffnete Desio das Gespräch. Er bemühte sich, seine Unerfahrenheit zu verbergen und sich zumindest so zu geben wie ein Herrscher. »Wir haben uns hier versammelt, um über die Möglichkeit zu diskutieren, daß ein Spion der Acoma in unserer Mitte ist.«
    »Das ist keine Möglichkeit, sondern eine Tatsache«, warf Incomo ein. Was das Haus Minwanabi benötigte, war schnelles und entschiedenes Handeln. »Und wir dürfen nicht davon ausgehen, daß es nur einen gibt.« Desio öffnete voller Wut den Mund, um sich sowohl gegen die Unverschämtheit seines Ersten Beraters zu wehren als auch gegen den Gedanken zu protestieren, daß die Acoma mehr als einmal die Reihen der Minwanabi infiltriert haben könnten.
    Tasaios Lippen

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