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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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zufällig in den Sümpfen gewesen wäre …« Er ließ den Satz unbeendet. Dann wurde er wieder vollkommen ernst. »Alle Männer, die mit mir im ersten Kriegsjahr gefangengenommen wurden, sind tot, Kevin. Lerne, dich anzupassen. Diese Tsurani glauben an das Wallum, eine Stelle tief im Innern des Menschen, wo niemand dich berühren kann.« Er legte einen Finger auf Kevins Brust. »Hier. Lerne, dort zu leben, und du wirst lernen, hier draußen zu leben.«
    Der Rothaarige nickte, dann bemerkte er den Blick Ticans auf seinem Rücken und nahm die Schüssel mit, um sie neu zu füllen. Mit einem bedauernden Blick auf Laune und Pug näherte er sich dem nächsten Wagen in der Reihe. Er würde versuchen, am Abend aus dem Sklavenquartier zu entkommen und einige Zeit mit den beiden zu verbringen. Informationen zu tauschen war zwar wahrscheinlich nicht sehr nützlich, aber es würde vielleicht das Heimweh ein wenig mildern.
    Doch als der Abend sich in die Länge zog, erhielt er immer mehr Arbeit, bis er völlig erschöpft in sein Zimmer im großen Haus zurückgeschickt wurde, wo er schlafen sollte. Eine Wache vor der Tür machte jeden Versuch, seine früheren Landsleute zu besuchen, zunichte. Doch während der Nacht hörte er weit entfernte, schwache Stimmen kaum verständliche Worte sprechen, deren Akzent ihm dennoch vertraut war.
    Er seufzte entmutigt, denn er wußte, daß seine eigenen Kameraden den beiden Sklaven von der Karawane der Shinzawai einen Besuch abstatteten. Er würde den Tratsch bei der nächsten Gelegenheit von Patrick oder einem anderen seiner Männer aus zweiter Hand erfahren. Doch die Unmöglichkeit, einen direkten Kontakt herzustellen, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, und er litt unter einem Heimweh, wie er es seit seiner Gefangennahme nicht gekannt hatte. »Verflucht sei diese Hexe«, flüsterte er in das harte Kissen. »Verflucht sei sie.«

Sechs

    Zerstreuungen

    Die Regenzeit war vorüber.
    Mit den langen Tagen kehrte auch der Staub zurück, und grelles Sonnenlicht versengte die Grasflächen um das Herrenhaus der Minwanabi. In wenigen Wochen würden die saftig-grünen Hügel und Berge ausdörren, bis im Hochsommer goldene und braune Töne die Landschaft bestimmten. Gewöhnlich bevorzugte Lord Desio während der heißeren Jahreszeit die schattige Kühle des Hauses, doch die Bewunderung für seinen Vetter trieb ihn jetzt häufig nach draußen.
    Tasaio diente zwar gegenwärtig seiner Familie als Berater, doch trotzdem war es unvorstellbar, daß er den Tag nicht mit seinen Kampfübungen begann. Auch an diesem Morgen war er zu einer Zeit, da noch Nebelschwaden über dem See hingen, die in der aufsteigenden Wärme langsam verdampften, mit Pfeil und Bogen bewaffnet auf einen Hügel gezogen. Eine Stunde später waren die in unterschiedlichen Entfernungen als Zielscheiben aufgestellten Strohpuppen mit Pfeilen in Tasaios persönlichen Farben gespickt: dem Schwarz und Orange der Minwanabi mit einem roten Querstrich für Turakamu.
    Desio trat zu ihm, während Tasaios Leibdiener die Pause zwischen zwei Runden nutzte, um die Pfeile zurückzuholen. Tasaio hatte Desio schon seit einiger Zeit kommen sehen, und so drehte er sich exakt im richtigen Augenblick um und verbeugte sich. »Guten Morgen, Mylord.«
    Desio trat, keuchend von der Anstrengung des Aufstiegs, zu ihm. Er nickte kurz mit dem Kopf und wischte sich den Schweiß von den hellen Augenbrauen. Dann betrachtete er seinen großen Cousin. Tasaio trug eine leichte Rüstung aus gehärtetem Fell mit wertvollen Eisenbeschlägen, die er als Kriegstrophäen aus der barbarischen Welt mitgebracht hatte. Er hatte keinen Helm auf, und eine leichte Brise zupfte an den kurzen, rotbraunen Haaren. Der schwarzglänzende Bogen in seiner Hand war stark gekrümmt, und orangefarbene Seidentroddeln hingen an beiden Enden. Tasaio hielt ihm die Waffe hin. »Möchtet Ihr es auch einmal versuchen?«
    Desio, immer noch zu atemlos zum Sprechen, winkte ab. Tasaio nickte und wandte sich um, als der Diener – einen Köcher voller Pfeile in jeder Hand – sich näherte und tief vor seinem Herrn verbeugte. Tasaio ließ den Mann auf den Knien warten, während er einen Pfeil nach dem anderen herauszog und mit der Spitze in den Boden steckte. »Was führt Euch an diesem schönen Morgen hierher, Cousin?«
    Desio betrachtete die Pfeile im Boden; sie standen so akkurat nebeneinander wie Krieger vor einem Angriff. »Ich konnte nicht schlafen.«
    »Nein?« Tasaio hatte den ersten Köcher

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