Der Sklave von Midkemia
geleert und machte mit dem zweiten weiter. Eine Jade-Fliege landete auf der Nase seines Dieners, doch der Mann zuckte mit keinem Muskel und blinzelte nicht einmal dann, als das Insekt über die Wange nach oben krabbelte und an der Tränenflüssigkeit seines Auges zu saugen begann. Als Lob für die perfekte Selbstbeherrschung erlaubte Tasaio dem Mann schließlich, das Insekt zu verscheuchen. Dankbar gehorchte der Diener, denn längst hatte er unter Peitschenhieben gelernt, sich nur mit der Einwilligung seines Herrn Erleichterung in welcher Form auch immer zu verschaffen.
Tasaio glättete die Befiederung eines Pfeils und wartete darauf, daß sein Cousin fortfuhr.
»Ich konnte nicht schlafen, weil bereits Monate verstrichen sind, ohne daß wir die Spione der Acoma entdeckt haben.«
Tasaio legte einen Pfeil an die Sehne, spannte und entließ ihn in einer einzigen weichen Bewegung; in hohem Bogen schoß der Pfeil durch die helle Morgenluft und schlug in das gemalte Herz einer der weiter entfernt stehenden Strohfiguren. »Wir wissen bereits, daß es drei sind«, erklärte der Krieger gelassen. »Der Kreis zieht sich also enger zusammen. Wir wissen auch, daß es eine undichte Stelle in den Unterkünften der Krieger und eine zweite im Umfeld des Kornmaklers gibt – und daß ein weiterer Spion entweder in der Küche Dienst tut oder zu den Hausbediensteten zählt.«
»Wann werden wir die Namen der Verräter kennen?«
Tasaio spannte den Bogen wieder und widmete sich für einen kurzen Augenblick dem nächsten Schuß; doch sobald der Pfeil die Sehne verlassen hatte, meinte er: »Noch heute morgen, wenn wir erfahren haben, was aus dem Überfall geworden ist, werden wir mehr wissen. Die Überlebenden müßten eigentlich bereits eingetroffen sein.« Er legte einen neuen Pfeil an die Sehne. »Abgesehen davon ist die Entlarvung des Spions nur der erste Schritt eines viel größeren Plans.«
»Wann wird Eure große Kampagne denn endlich stattfinden?« stieß Desio gereizt hervor. »Ich will die Acoma im Staub liegen sehen!«
Zwei weitere Pfeile schwirrten durch die Luft und fanden ihre Ziele. »Geduld, Cousin.« Tasaio legte einen dritten Pfeil an und schickte ihn mitten in den Hals der Strohfigur, die am weitesten entfernt stand. »Ihr wollt, daß die Acoma unwiderruflich ausgelöscht werden. Nun, der weise Mann plant gewissenhaft. Wirklich gute Fallen zeichnen sich durch Sorgfalt und Raffinesse aus, und sie schnappen genau dann zu, wenn keiner es erwartet.«
Desio seufzte schwer. Sein Leibdiener eilte herbei und legte ein Kissen hinter seinem Herrn auf die Erde, noch während der seine gewaltige Körpermasse auf das Gras sinken ließ. »Ich wünschte, ich besäße Eure Geduld, Tasaio.« Neid schwang in dem leicht trotzigen Ton mit.
»Aber ich bin gar kein geduldiger Mann, Cousin.« Pfeile zischten in regelmäßigen Abständen durch die Luft, und schließlich kippte eine Strohfigur um, mit gefiederten Pfeilen gespickt wie das Nadelkissen einer Näherin. »Mich stört die Verzögerung genauso wie Euch, vielleicht sogar noch mehr, Mylord – ich hasse es, warten zu müssen.« Er studierte die entfernten Ziele, als wollte er seine Leistung abschätzen. »Aber noch mehr hasse ich bei mir diese lasterhafte Neigung zur Ungeduld. Ein Krieger darf niemals aufhören, nach Vollkommenheit zu streben, immer in dem Bewußtsein, daß er sie nie erreichen wird.«
Desio zupfte die Robe etwas von seiner schweißbedeckten Haut ab und fächerte sich Luft zu. »Ich gebe zu, ich habe keine Geduld, und im Gegensatz zu Euch fehlt es mir auch an den Gaben, die für das Schlachtfeld nötig gewesen wären.«
Tasaio forderte den Diener mit einer knappen Geste auf, die abgeschossenen Pfeile zurückzuholen, obwohl die Reihe vor seinen Füßen noch nicht verbraucht war. Dann legte er den Bogen über die Schulter und blickte seinen Cousin an, der um einiges runder und massiger war. »Ihr könntet es lernen, Desio.« Seine Stimme war frei von jedem Spott.
Der Lord der Minwanabi lächelte. »Ihr habt einen Plan ausgeheckt, wie wir Mara zerstören können.«
Tasaio schwieg einen Augenblick, dann warf er den Kopf zurück und stieß mit aller Kraft den Kriegsschrei der Minwanabi aus. Als er seinen Cousin wieder anblickte, leuchteten seine Augen vor Aufregung. »Ja, Mylord, ich habe einen Plan. Doch zuerst müssen wir mit Incomo sprechen und herausfinden, ob die Läufer, die er ausgeschickt hat, schon mit Nachrichten über den Hinterhalt zurück
Weitere Kostenlose Bücher