Der Sklave von Midkemia
noch herausfinden, wo Maras verletzbare Stelle liegt.« Er nickte Incomo auffordernd zu. »Wie konnte unser Feind einen solch deutlichen Erfolg erringen?«
»Das ist einfach«, antwortete der Erste Berater. »Es waren dreimal so viele Wachen bei den Wagen, wie wir vermutet hatten.«
Tasaio dachte darüber nach, die Hände reglos auf den Knien. »Es war geplant, daß sie von unserem Überfall wußten. Doch daß sie mit einer so großen Streitmacht antworteten, sagt uns zweierlei: Erstens wollten sie um jeden Preis verhindern, daß uns die Wagen in die Hände fallen; zweitens …« Seine Augen weiteten sich bei dem Gedanken, der ihm plötzlich gekommen war. »Dieser verdammte Cho-ja-Stamm muß Krieger ausbrüten wie Jade-Fliegen!«
Desio war verwirrt. »Was hat denn das mit der Entdeckung der Acoma-Spione zu tun?«
Incomo strich seine Robe mit der gleichen Pingeligkeit glatt, mit der ein Vogel seine Federn ordnet. Mit unendlicher Geduld erläuterte er den Gedanken: »Unser Angriff sollte dazu beitragen, undichte Stellen aufzuspüren. Maras allzu fähiger Supai hat soeben die Schuld eines oder auch aller drei Verdächtigen in Eurem Haushalt bestätigt. Es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an, Mylord Desio. Hätte unser Angriff einer Karawane mit wertvolleren Waren als Korn gegolten, hätten wir sicherlich größere Aufmerksamkeit auf unsere Absichten gelenkt.«
Tasaio meldete sich wieder zu Wort. »Es könnten auch noch ganz andere Dinge mit im Spiel sein. Eine Garnison, die so unterbesetzt ist wie die von Mara, hätte gegen eine derart geringe Bedrohung nicht mit einer solch starken Streitmacht vorgehen können. Diese Überreaktion ist sehr aussagekräftig.« Tasaio hielt inne und wölbte nachdenklich die Augenbrauen. »Nehmen wir an, wir hätten mit unserem Angriff irgendeinen Plan der Acoma zerstört. Nehmen wir an, wir wären mitten in einen ihrer nächsten Schritte gegen uns gestolpert? Es war ihnen äußerst wichtig, daß die Wagen nicht in unsere Hände fielen – um einen Preis, der weder dem Wert des Korns entspricht noch dem geringen Verlust an Ehre, der mit der Aufgabe einer kleinen Karawane verbunden ist.«
»Es gibt da noch etwas, dem wir nachgehen sollten«, mischte Incomo sich ein. »Unser Makler in Sulan-Qu berichtet, daß die Acoma seit unserem Überfall die Wachen bei allen Handelskarawanen verdoppelt haben. Es geht das Gerücht, daß unter jedem Sack Korn geheime Güter verborgen wären. Aus der Aufregung um die verdeckten Aktivitäten können wir schließen, daß es irgendwo einen wirklichen Schatz gibt, einen Schatz, den unsere Feinde unter allen Umständen geheimhalten wollen.« Incomos Erregung mündete in einem niedergeschlagenen Seufzer. »Wie sehr wünschte ich, wir hätten einen Informanten in Maras Haushalt! Etwas Wichtiges geht da vor, und unser Angriff in der Nähe von Sulan-Qu hätte es beinahe ans Licht gebracht. Warum sonst sollte ein kleiner Überfall solch gewaltige Gegenmaßnahmen hervorrufen?«
Desio griff nach dem Becher mit dem Eisgetränk und ließ die letzten schmelzenden Eissplitter kreisen. »Sie hat auch Boten nach Dustari geschickt. Wir können ziemlich sicher davon ausgehen, daß sie Chipino von den Xacatecas eingeladen hat, über seine Rückkehr von der Grenze zu verhandeln. Akzeptiert er, haben die Acoma einen Verbündeten gewonnen.«
Nur Tasaio schien von den offensichtlichen Rückschlägen merkwürdig unberührt. »Warten wir es ab, Cousin. Ich habe einen langfristigen Plan für Mara, einen, der zwei Jahre brauchen wird, ehe er Früchte trägt.«
»Zwei Jahre!« Desio knallte den Becher mit voller Wucht auf einen Beistelltisch. »Wenn dieser Cho-ja-Schwarm Krieger ausbrütet, werden Maras Ländereien von Jahr zu Jahr unangreifbarer!«
Tasaio wischte die Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Soll Mara zu Hause ruhig stark werden. Wir werden nicht auf ihrem eigenen Grund und Boden gegen sie kämpfen. Die Tage sind längst vorüber, da wir noch davon träumen konnten, sie durch die bloße Stärke unserer Streitmacht zu bezwingen.« Seine Stimme wurde nachdenklich. »Natürlich würden wir gewinnen, doch wir wären so erschöpft, daß wir den nächsten Angriff anderer Feinde nicht überstehen könnten – und ein solcher würde mit ziemlicher Sicherheit erfolgen. Wenn ich Chipino von den Xacatecas oder Andero von den Keda wäre, käme mir eine offene Konfrontation zwischen den Acoma und den Minwanabi nur recht.«
Desio war gewöhnlich beleidigt, wenn ihm
Weitere Kostenlose Bücher