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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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kümmerst. Wir haben schon bald Frühling, und die Needra-Herden wachsen. Meine Aufseher werden sich dir unterordnen, und du kannst alle Änderungen vornehmen, die du für notwendig hältst. Als Gegenleistung werden deine Landsleute aufhören, ihre Faulheit zu kultivieren. Sie werden das Land für die neuen Weiden roden und von Felsblöcken und Sträuchern befreien, bevor das erste Kalb geboren ist. Verhätschele sie, wenn du willst, solange die Arbeit getan wird. Sollten sie jedoch bis zum Frühlingsfest nicht fertig sein, lasse ich von da an jeden Tag, bis es soweit ist, willkürlich einen Mann herausgreifen und hängen.«
    Kevin wirkte erstaunt, doch er nickte. »Soll ich heute abend wiederkommen, oder – « begann er.
    »Du bleibst mit den Arbeitern im Lager bei der neuen Weide.«
    »Wann soll ich zurückkehren – «
    Mara unterbrach ihn kalt. »Wenn ich mich entscheide, nach dir schicken zu lassen. Und jetzt geh.«
    Kevin verbeugte sich; auf seinem Gesicht spiegelten sich Verblüffung und Wut. Er verließ den Raum, seine Kleider immer noch auf dem Arm. Der wachhabende Soldat an der Tür verzog keine Miene, als der Barbar auf den Flur trat. Der Midkemier sah den gleichmütig dreinblickenden Soldaten an, als hätte er etwas gesagt, dann brach er in lautes, ironisches Gelächter aus. »Ich werde auch nicht schlau aus ihr, verflucht«, vertraute er ihm in einer Mischung aus Enttäuschung und Ärger an. Der Soldat heftete seine Augen auf Kevin, doch sein Gesicht blieb unverändert starr.
    Obwohl Mara von ihren Dienerinnen umgeben war, hörte sie Kevins Kommentar. Sie spürte die unverhohlene Qual in seinen Worten und preßte die Augen zusammen, um gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen anzukämpfen. Sie mußte die Würde einer echten Tsurani aufrechterhalten und durfte ihre Gefühle nicht zeigen, und doch schrie etwas in ihrem Innern danach, Kevin zurückzurufen. Als Geliebte wollte sie seinen Schmerz lindern, doch als Lady der Acoma durfte sie sich nicht von ihrem Herzen leiten lassen. Mara verbarg ihre Seelenqualen hinter einer starren Maske, während ihre Dienerinnen unauffällig mit ihrer Arbeit fortfuhren.
    Aus Angst, bei der kleinsten Bewegung, ja bei dem leisesten Seufzer in hemmungslose Tränen auszubrechen, ordnete Mara mit dünner Stimme an, ihr eine kleine Mahlzeit zu bringen. Sie sehnte sich nach Erlösung, doch es wäre eine Schande gewesen, hätte die Lady der Acoma öffentlich geweint. Die Lady eines großen Hauses ließ sich nicht von den Worten eines Sklaven verunsichern oder geriet wegen seiner Abwesenheit in Verzweiflung; so etwas galt als im höchsten Maße unangemessen. Also schluckte Mara ihren Schmerz hinunter, einen Schmerz, der doppelt so groß war, weil sie wußte, daß sie Kevin nur deshalb weh getan hatte, um sich selbst zu schützen. Doch die erzwungene Beherrschung brachte keine Erleichterung, und auch die stillen, meditativen Gesänge aus Lashimas Tempel, mit denen sie ihre innere Kontrolle wiedererlangen wollte, linderten ihren Kummer nicht. Als das Tablett mit dem Frühstück kam, stocherte sie appetitlos darin herum und starrte ins Leere. Ihre Dienerinnen erledigten pflichtbewußt und stumm ihre Aufgaben. Sie waren ebenfalls an starre Traditionen gebunden und warteten auf den nächsten Befehl ihrer Herrin, ohne deren Verhalten zu bewerten.
    Nach einiger Zeit machte Mara sich wieder bemerkbar, und eine Dienerin räumte das Frühstück ab, das ihre Herrin kaum angerührt hatte. In dem Versuch, ihre innere Erregung zu bekämpfen, rief Mara ihre Vertrauten zu einer Beratung in ihrem Arbeitszimmer zusammen. Keyoke war wachsam wie immer, der Federbusch, der ihn als Kommandeur kennzeichnete, war der einzige Schmuck an seiner mitgenommenen, gewöhnlichen Rüstung. Er war seit Sonnenaufgang auf den Beinen, weil er eine Patrouille an der Grenze überwachen wollte, und seine Sandalen waren noch schmutzig und feucht vom Morgentau. Nacoya, die sich gewöhnlich nur zäh durch den Morgen schleppte, wurde schlagartig wach, als sie nach Vollendung ihrer Verbeugung Kevins Abwesenheit bemerkte. Sie seufzte erleichtert auf: Endlich war ihre Mistress zur Vernunft gekommen und hatte den großen Barbaren fortgeschickt.
    Die Zufriedenheit der alten, lebenserfahrenen Frau verärgerte Mara, und sie hätte ihr am liebsten eine Ohrfeige gegeben, unterdrückte jedoch das Bedürfnis. Beschämt über ihre unangebrachte Wut, wartete sie auf die Ankunft ihres Hadonra. Gerade, als sie sich entschlossen hatte,

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