Der Sklave von Midkemia
»Zeige mir noch einmal, wie die Männer in deinem Land ihre Frauen lieben.«
Kevin schenkte ihr ein ironisches Lächeln. Dann richtete er in gespieltem Entsetzen die Augen gen Himmel. »Betet zu Euren Göttern, daß sie mir Kraft geben«, murmelte er. Er ließ das Hemd von den Schultern gleiten, streifte die Hosen ab und kam zu ihr.
Später, als die Lampen schon tief heruntergebrannt waren, lag Mara in Kevins Armen und dachte über die Freuden nach, die sie in einer Zeit solch großer Sorgen gefunden hatte. Sie streckte die Hand aus und strich über die zerzausten Haare ihres Liebhabers. Sie betrachtete die Schrammen, die die scharfen Dornen der Kekali auf seinem Rücken hinterlassen hatten; die Wunden waren nicht sehr tief, und es hatte sich bereits Schorf gebildet. Erst jetzt begriff Mara die bittere Süße der Liebe, die sie schließlich überwältigt hatte.
Kevin war ein Sklave, jetzt und für alle Zeit. Es gab bestimmte, unverrückbare Grundsätze in ihrer Kultur, und diese Tatsache war eine davon.
Wehmütige Melancholie ergriff sie, und während sie dem langsam verschwindenden Mond auf der anderen Seite des Ladens zusah, fragte sich Mara, ob das Unglück, das ihren Bruder und ihren Vater zu Fall gebracht hatte, sich jetzt nicht doch auch an sie heranschlich. Verzweifelt betete sie zu Lashima, daß das Blut von Kevins Kratzern nicht durch sein Hemd gedrungen war und den Boden berührt hatte. Lord Desio von den Minwanabi hatte die Rache seines Hauses durch einen Eid in die Hände Turakamus gelegt. Und der Totengott wandelte, wo es ihm beliebte, mit oder ohne Aufforderung. Wenn er seine Gunst den Minwanabi schenkte, würden die Acoma hinweggefegt werden, ohne auf ihrem Land oder in der Erinnerung der Menschen irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
Sieben
Zielscheibe
Mara bewegte sich leicht.
Ihre Hände berührten warme Haut, und sie wachte auf. In dem matten Licht kurz vor der Morgendämmerung wirkte Kevins Körper wie eine grauschwarz schimmernde Silhouette. Er schlief nicht mehr, sondern hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt und betrachtete sie. »Du bist sehr schön«, sagte er.
Mara lächelte schläfrig; sie rückte dicht zu ihm und schmiegte sich in die kleine Kuhle seines Ellenbogens. Sie war erschöpft, aber zufrieden. Seit Kevin vor einigen Monaten zum ersten Mal in ihr Bett gekommen war, hatte sie eine neue Seite an sich entdeckt – eine sinnliche, zärtliche Seite, die bisher tief in ihrem Innern verschlossen gewesen war. Vor der erfüllten Lust, die sie mit dem Barbaren verband, verblaßten die Brutalitäten aus der Zeit ihrer Ehe zu einem längst vergangenen, unangenehmen Traum.
Sie fuhr mit den Fingern spielerisch durch die Haare auf Kevins Brust. Inzwischen schätzte sie das kleine Gespräch am Morgen nach ihrer Liebesnacht genauso wie die Beratungen mit ihren Vertrauten. Sie lernte von ihm in einer Weise, die sie noch nicht ganz begriff. Er war weitaus vorsichtiger, als sie zu Beginn angenommen hatte; sie wußte mittlerweile, daß seine direkte, offene Haltung einer Kultur entsprang, in der oberflächliche Aufgeschlossenheit das persönliche Innere eines Menschen schützte. Kevin drückte sich bewußt unklar aus, wenn es um sein früheres Leben und seine Familie ging, und obwohl sie ihn häufig darauf ansprach, vermied er Gespräche über die Zukunft, als hätte er heimliche Pläne. Er unterschied sich sehr von einem Tsurani, und Mara hielt ihn für jemanden mit einem komplexen, tiefgründigen Charakter. Es erstaunte sie, daß ein solcher Mann ein gewöhnlicher Soldat sein konnte, und sie fragte sich, ob auch unter ihren Kriegern so manches Potential verborgen war.
Kevin unterbrach ihre Gedanken.
Mara lächelte milde. »Was hast du gesagt?«
Er blickte sie nachdenklich an. »Ich dachte gerade, was für starke Gegensätze in deiner Welt herrschen.«
Der unerwartete Ton seiner Stimme erweckte Maras Argwohn, und sie wandte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit zu. »Was bedrückt dich?«
»Sind meine Gedanken so offensichtlich?« Kevin zuckte verlegen mit den Schultern. Er schwieg einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Ich dachte an die Armenviertel in Sulan-Qu.«
»Aber warum das?« Mara runzelte die Stirn. Sie versuchte ihn zu beruhigen. »Ich werde niemals zulassen, daß du verhungern mußt.«
»Verhungern?« Kevin war überrascht. Er holte tief Luft, dann starrte er sie eindringlich an, als könnte er so ihre Gedanken erraten. Schließlich schien er zu einem Schluß gekommen zu
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