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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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getroffen. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung und Schrecken. Er hatte noch nie so mit ihr gesprochen! Der Soldat zog sie mit sich und diesmal widerstrebte sie nicht.

    Itakaiet schritt durch ihre ausgestorbene Schenke bis zur Tür, blickte hinaus auf die ebenfalls menschenleere Gasse und seufzte. In den letzten Stunden schienen sich Hathor, Göttin der Liebe und Lust, und alle anderen Götter Kemets von ihr abgewandt zu haben. Erst der Tod des Pharao, und nun auch noch ein Kriegszug! Das bedeutete, dass alle Männer der Stadt für Tage oder Wochen unterwegs sein würden, und die, die zurück kehrten, würden erschöpft oder verwundet sein und einen Platz wie ihre Schenke kaum frequentieren! Itakaiet fluchte still und spielte mit ihrem Armreif, eines der letzten Geschenke Pharao Ramses’. Wenn es so weiter ging, würde sie all ihren Schmuck versetzen müssen, um überhaupt leben zu können! Alles hatte so verheißungsvoll ausgesehen vor ein paar Monaten! Das Unglück begann, als sie diese verfluchte kleine Schlampe von Fremdländerin gekauft hatte! Auf ihr musste ein Fluch gelegen haben! Und jetzt war das rothaarige Biest in Ipet-Isut und verdrehte Amenemhat den Kopf, nach allem, was man so hörte! Ein schlaues kleines Miststück musste sie sein... So unbedarft sie getan hatte, während sie hier in der Schenke gewesen war! Wer schaffte es schon, den Skorpion von Ipet-Isut derart um den Finger zu wickeln und ihn auf die Knie zu zwingen?! SIE hatte das nicht geschafft!
    Ich hätte ein Vermögen mit ihr machen können, wenn sie bei mir ihre Talente eingesetzt hätte, dachte Itakaiet wütend. 

    Kahotep war ohne besonderes Ziel durch die Gassen gewandert. Er hatte die Abreise der Schiffe im Hafen und den Abmarsch der Truppen gen Norden beobachtet. Jeder Moment hatte ihm mit erneuter Deutlichkeit seine Hilflosigkeit ins Gesicht geschlagen. Er brachte es im Augenblick auch nicht über sich, zurück in den Tempel zu gehen. Er fühlte sich nicht länger würdig, ihn zu betreten. Das ganze Leben schien ihm in diesen Stunden zuwider. Er empfand Abscheu und Überdruss in einem Maße, dass ihm der Gedanke durch den Geist irrte, diesem nutzlosen Leben ein Ende zu bereiten. Gewiss würde ihn der Richter der Toten verdammen… aber er hatte ohnehin niemanden, der sich um sein Grab und die schuldigen Opfer kümmern konnte…
    Diese Überlegungen lenkten seine Schritte schließlich doch wieder hinunter zum Hafen, wo er eine Fähre hinüber nach West-Waset in die Stadt der Toten bestieg. Er wollte zu Senmuts Grabmal, hoffte dort im Zwiegespräch mit seinem alten Lehrer etwas Frieden zurück zu erlangen. Vor allem aber wollte er ihn um Vergebung bitten, dass er die ihm gestellte Aufgabe so schlecht erfüllt hatte!
    Die letzte Ruhestätte des alten Oberpriesters des Ptah lag unterhalb der großen Königsgräber. Nur ein bescheidenes Areal war für den kleinen symbolischen Garten umzäunt worden, trotzdem spendeten die hier her verpflanzten Bäume bereits Schatten und eine angenehme Kühle. Nur eine der Pflanzen hatte die Umsetzung nicht gut überstanden, hing Zweige und Blätter. Kahotep nahm sich vor, sich später darum zu kümmern. Er hatte keine Opfergaben bei sich, und so sprach er mit besonderer Sorgfalt die Gebete für seinen alten Lehrmeister, ehe er das Innere des kleinen Grabtempels betrat und sich dort zu Boden warf.
    Senmuts Todesstunde war ihm wieder deutlich vor Augen, die Worte, die ihm so viel Kraft gekostet hatten, die letzte seiner Weisungen! Kronprinz Iny zu gewinnen und Amenemhat von Ipet-Isut das unrechtmäßig an sich Gerissene zu nehmen! Aber er hatte Senmut enttäuscht! Er hatte es nicht geschafft, den Skorpion von Ipet-Isut zu zertreten! Amenemhat war da, wo er immer hin gewollt hatte und bereit, Kemet seinem Wahn zu opfern! Noch war er Regent, aber was würde ihn hindern, den Thron zu besteigen? Nichts, nichts, gar nichts, war mehr in Kahoteps Macht, was er ihm entgegen stellen konnte!
    „Was soll ich tun, weiser Senmut?“ flüsterte er. „Sage mir, was soll ich tun?“

    Amenemhat hob den Kopf gen Himmel. Der Stand der Sterne ließ ihn erkennen, dass es etwa die sechste Stunde der Nacht war. Das gleichmäßige Klatschen der Ruderblätter im Wasser war das einzige Geräusch, das im Augenblick zu hören war. Die über dem Vorderdeck angebrachte Lampe schwang leicht mit der Bewegung des Schiffsrumpfes und ihr goldroter Schein tanzte über das Deck. Auch an Land bewegten sich Lichtpunkte: die Fackeln,

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