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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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geflüstert worden war? Überall war das herrische „Du, du und du, mitkommen“ der Militärschreiber zu hören. Eine Anzahl junger und auch älterer Männer folgte freiwillig dem gebotenen Anreiz, andere wurden kurzerhand aus den Häusern gezerrt und in Begleitung der Unteroffiziere Richtung Fluss gescheucht. Verzweifelte Hände von Mädchen und Frauen suchten eine letzte Berührung, ehe Mann, Bruder oder Sohn aus ihrer Reichweite waren. Manche rannten den Rekrutierern nach, bis die verstopften Straßen oder die Stöcke der Militärschreiber ihren Bemühungen ein Ende machten.
    Debora hatte Ipet-Isut am Abend zuvor kurz vor Schließung der Tempeltore verlassen, als die ersten Gerüchte über eine heran nahende feindliche Armee sie erreichten. Sie vermochte einfach nicht länger tatenlos herum zu sitzen. Das Warten machte sie verrückt. Sie hatte Amenemhats Dolch unter ihrem Gewand versteckt und sich dann zur Stadt aufgemacht. Sie wusste nicht genau, was eigentlich sie vorhatte, nur warten konnte sie nicht länger. 
    Schon von Weitem hatte sie die Körper von Gerichteten über der Mauerkrone des Haupttores hängen sehen, nackt und Blutspuren auf dem Sandstein hinterlassend.
    „Amenemhat…“ war ihr erster Gedanke gewesen und sie war weiter gelaufen, den Blick auf die Mauer geheftet wie in Trance. Aber dann war sie nah genug gewesen um zu erkennen, dass keiner der Hingerichteten den kahl geschorenen Kopf der Priester hatte…
    „Nicht mich!“ hörte Debora aus all dem Gewirr plötzlich eine Stimme, die ihr bekannt vorkam. Sie drückte sich in die Türöffnung eines Hauses. Einer der Militärschreiber hatte gerade einen jungen Mann am zerzausten Haarschopf gepackt, der ein jämmerliches Schauspiel darbot. Khenti! Jetzt erst merkte Debora, dass sie nur eine Häuserecke von Itakaiets Schenke entfernt war.
    „Nicht mich“, schluchzte Khenti. „Seht doch, ich bin lahm, ich kann nicht richtig gehen!“ Dabei hüpfte er auf einem Bein, das es den anderen Rekruten Gelächter entlockte. Allein die Militärschreiber waren nicht willens, ihr Opfer davon kommen zu lassen. Ein, zwei Stockhiebe trafen Khenti. Sie bewirkten eine ‚Wunderheilung’ und er wurde brutal zu den anderen gestoßen.
    Debora versuchte, aus dem Gedränge heraus zu kommen. Sie wollte zurück in Richtung des Palastes, musste in Erfahrung bringen, was mit Amenemhat geschehen würde. Aber es war schlichtweg unmöglich, sich gegen den Strom von Menschen zu stemmen, die zum Fluss drängten. Sie wurde ganz einfach mitgerissen. 
    An den Anlegestellen und überhaupt ringsum am Ufer herrschte ein Aufruhr, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Auch so viele Schiffe hatte sie noch nie an einem Ort versammelt gesehen. Die Schilfbündel knirschten, Holz knarrte und immer wieder waren hektische Rufe zu hören, man solle Abstand halten, damit die Ruder sich nicht verkeilten und brachen. Dabei waren eine Anzahl Boote bereits flussabwärts unterwegs! Männer und Frauen beluden die Verbliebenen im Laufschritt. Debora beobachtete, wie Krüge und Körbe in langen Reihen weitergereicht wurden. Militärschreiber und andere Beamte eilten zwischen den Arbeitern und Soldaten umher, verteilten Anweisungen oder versuchten einfach nur, mit ihrem Amtsstab für Ordnung zu sorgen. Die eben zusammen getrommelten Rekruten wurden hier an Ort und Stelle eingeteilt, die Veteranen früherer Kriegszüge bewaffnet, die Übrigen einfach Erfahrenen zur Seite gestellt und auf die Schiffe gescheucht. Viel Zeit würde ihnen nicht bleiben, ein paar Grundfertigkeiten des Kampfes zu erlernen! Ebenso wenig wie jenen, die in Richtung eines anderen größeren Kontingents höher am Ufer getrieben wurden. Alles, was Waset möglich war zu geben, sollte in die Schlacht geschickt werden…
    „Der Pharao wird den Sieg erringen!“ schallte von irgendwo eine Stimme. Debora sah sich um und erkannte einen der Offiziere mit Brustpanzer, offenbar bemüht, den Rekruten und ihren Angehörigen die nötige Kampfmoral zu vermitteln. „Ihr werdet die Feinde Kemets zermalmen und zertreten!“
    Gebrüll antwortete ihm und das Schlagen von Waffen gegen die Schilde.
    Dann klang ein anderer Ruf durch das Stimmengewirr und vervielfachte sich seinerseits zu Gebrüll aus hunderten von Kehlen: „Der Pharao! Der Pharao! Heil und Leben!“
    Debora erklomm eine der Statuen an der Anlegestelle, schirmte die Hand über die Augen und versuchte, im Gegenlicht etwas zu erkennen. Tatsächlich waren dort auf der Straße vom Palast

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