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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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jetzt. „Du hast gedacht, Iny wäre Ramses’ Sohn? Das hast du tatsächlich gedacht, ja! Du, der allmächtige, weise, hocherhabene Erste Gottesdiener des Amun! Mein Gemahl hätte nie ein Kind in mir erwecken können!“
    Die Wahrheit packte Amenemhat in einem so festen Griff, dass er ihrer Folter nicht entrinnen konnte. Sie drang durch jede Pore seiner Haut, nagelte ihn fest. Nein, Nefertari log nicht…
    „Warum hast du mir das verschwiegen, bei der Neunheit der Götter?! Warum?“ 
    „Weil ich… anfangs dachte, du würdest irgendetwas Unüberlegtes tun, wenn du es erfährst! Als Iny geboren wurde, warst du erst Vierter Gottesdiener, und der Hohepriester war Ramses’ engster Freund!“
    „Etwas Unüberlegtes?! Wofür hältst du mich? Für einen schwachköpfigen Steinklopfer?!“
    „Ich hatte Angst um mein Kind, Angst um dich und ich… ich habe gedacht, es hat Zeit… es sei sicherer für uns alle, so wie es war … Und später warst du so enttäuscht von Iny! Bei jeder Gelegenheit hast du es mich spüren lassen! Er konnte nie etwas zustande bringen, was dir auch nur annähernd genügte!“ Ihre Worte gingen in Tränen unter.
    „Nefertari. Du hast … mich Inys Ende planen lassen.“
    „Ich dachte nicht, dass du soweit gehen würdest! Er war doch noch ein Kind! Ich wollte euch nicht gegeneinander stehen sehen! Ich wollte frei sein von Ramses, allein das! Was glaubst du, warum ich Iny zu dir nach Ipet-Isut gesandt hatte? Ich hatte gehofft, wenn Ramses nicht mehr am Leben wäre, dann wäre der Weg frei für dich! Und dann für unseren Sohn!“ 
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. „Aber als er zurückkam aus dem Heerlager im Delta… war er so verändert! Ich habe ihn gar nicht mehr wieder erkannt… Ich konnte keinen Zugang mehr zu ihm finden!“
     „Du hättest es mir sagen müssen! Nefertari, du wusstest, wie die Dinge zwischen uns standen, nachdem er Pharao wurde! Du wusstest, dass an eine Einigung nicht mehr zu denken war! Du wusstest, wie er mich hasst! Und trotzdem hast du geschwiegen?!“ schrie er ohne Rücksicht, ob irgendjemand ihn jetzt hören konnte.
    „Ich habe versucht, mit ihm zu sprechen… ich habe versucht, mit dir zu sprechen…“
    „Du hast es versucht? VERSUCHT? Du hast mich VERDAMMT, Nefertari!“ Während er das sagte, kam ihm eine andere Begebenheit in den Sinn. Senmut, der alte Oberpriester des Ptah! Senmut und die Worte, die er an ihn richtete, als er ihn das letzte Mal lebend sah! „Senmut wusste Bescheid, nicht wahr? Antworte mir!“
    „Ja. Er war Ramses’ Leibarzt, er wusste, dass das Kind nicht von ihm sein konnte. Und weil er dich ein – und ausgehen sah im Palast, zog er seine Schlussfolgerungen. Deshalb habe ich mich bemüht, ihn loszuwerden, ihn aus dem Palast fern zu halten! … Verzeih mir! Verzeih mir, Amenemhat!“ 
    Sie streckte ihm flehend die Hände entgegen. Aber im Moment war er nicht fähig, ihren Hilferuf in irgendeiner Weise zu beantworten. 
    Er fuhr sich über das Gesicht, holte tief Atem. 
    Dein Sohn… dein Sohn… dein Sohn…
    Als er den Arm sinken ließ, spürte er deutlicher als zuvor den Druck der Rüstung auf den Schultern. Du bist Regent von Kemet, drängte es zurück in sein Bewusstsein. Regent von Kemet, um den Feind aufzuhalten! Das war alles, was zählte! Dafür war Iny von seiner Hand gefallen! Dafür! Und was er nun wusste, machte keinen Unterschied an dessen Versagen! Amenemhat wandte sich um und schritt zur Tür. Nefertaris Stimme klang ihm nach, aber er blieb nicht stehen.

Kapitel 18

    Die Straßen und Plätze von Waset schienen überzukochen vor Aktivität, zu bersten vor Nachrichten, die sich stündlich widersprachen. Von Kapitulation vor den Libyern war die Rede gewesen, dann wieder von einem gewaltigen nubischen Heer. Einige Familien hatten es vorgezogen, in aller Hast die Stadt zu verlassen – auf der anderen Seite hingegen drängten neue Flüchtlinge von den Landgebieten durch die Tore. In dem allgemeinen Geschiebe und Gedränge ging Hab und Gut verloren und wurden Kinder von ihren Eltern getrennt. Allenthalben hörte man Brüllen, Schreien und Kreischen von Mensch und Tier. Dazwischen mischten sich Gerüchte über den plötzlichen Tod des Pharao. Als der Sonnengott seinen täglichen Lauf über den Himmel begann, änderte sich das Bild schlagartig. Mit einem Mal durchquerten Militärschreiber die Gassen im Laufschritt, verkündeten Befehle und ein Rekrutierungsdekret. War der Pharao also nicht tot, wie es erst

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