Der Skorpion von Ipet-Isut
hilf mir! Ich will Amenemhat nicht verlieren!“
„Und er dich nicht, glaube mir. Das ist eine wahnwitzige Idee, den Schiffen in die Schlacht zu folgen! Aber... ich will sehen, dass dich der Schutz der Dreiheit von Waset begleitet.“ Er versuchte ein aufmunterndes Lächeln zustande zu bringen.
Nefertari hatte sich in ihr Schlafgemach zurück gezogen. Ihr Durst nach Rache und ihr Zorn auf Amenemhat brannten mit unverminderter Heftigkeit ihr, drängten sie danach, etwas zu tun, was ihr in irgendeiner Weise Linderung verschaffen könnte. Das kalte Feuer begleitete jeden ihrer Gedanken; es war überhaupt das einzige, was sie noch denken konnte, an was sie noch Interesse hatte: Amenemhat in die Knie zwingen, ein einziges und endgültiges Mal in die Knie zwingen! Ihn zerbrochen und am Boden sehen!
Und wenn dieses dumme Kind von Kiya ihr dabei nicht helfen wollte – dann würde sie etwas nachhelfen! Nefertari hatte sich niemals sonderlich um Politik gekümmert, aber sie beherrschte das höfische Intrigenspiel. Sie hatte es früher benutzt, um sich allzu Neugierige fernzuhalten oder aus dem Weg zu räumen, wer ihr und Amenemhat und ihrem kleinen Geheimnis zu nahe gekommen war. Nun aber... Mit einem Lächeln, an dem ihre umschminkten Augen keinen Anteil hatten, wandte sich Nefertari dem Kommandanten ihrer Leibgarde zu. Kemar kniete vor ihr. Das Sonnenlicht glänzte auf seinem muskulösen, mit Duftöl massierten Körper. In seinem Gesicht lag kaum verhohlene Begierde, als er zu der vor ihm auf dem Bett liegenden Frau aufsah. Nefertari ließ ihre rechte Hand langsam über ihre Hüften gleiten, dann über den Arm des Nubiers.
„Kemar... willst etwas für mich tun?“ fragte sie mit einer Stimme, in der Hilflosigkeit und Verlockung gleichermaßen mitschwangen. Dabei streichelten ihre Finger über seine Haut.
„Ich tue alles, was du verlangst, Herrin“, antwortete der Gardekommandant, ohne einen winzigen Moment die Augen von ihr zu lassen. Nefertari merkte, dass sie plötzlich Ekel bei dem Gedanken empfand, sich mit ihm zu vereinigen. Alles, was mit der Berührung eines Mannes zusammen hing, widerte sie an. Aber Kemar war viel zu berauscht, um zu bemerken, dass etwas anders war als früher. „Alles. Sag mir nur, was ich tun soll“, wiederholte er.
„Kiya, die Witwe meines unglücklichen Sohnes...“
„Ja?“
„Sie ist in Gefahr hier in Waset. Ich möchte nicht, dass ihr etwas geschieht. Sie soll ins Delta gebracht werden, zu Smendes von Men-Nefer. Leider ist sie... nun, Kemar, sie ist ein dummes, kleines Ding, das Angst hat, den Palast zu verlassen. Sie wird freiwillig nicht gehen, auch wenn sie hier in Gefahr ist, verstehst du?“
Ja, was derlei Dinge anging, war der Kommandant ihrer Garde ein Mann raschen Begreifens. „Du möchtest, dass Kiya mit Gewalt aus Waset gebracht wird, Herrin?“
„Es ist nur zu ihrem Besten; sie wird es uns danken, wenn sie erst einmal bei Smendes ist. Ich lege das in deine Hände, weil ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, Kemar.“ Nefertaris Finger schlangen sich um die seinen, hielten den Nubier fest und gleichzeitig auf Distanz. „Du wirst Kiya nach Men-Nefer bringen! Und du wirst Smendes ausrichten, dass ich seine Forderungen nach Unabhängigkeit unterstütze... solange er und die Libyer sich mit den unteren Landesteilen begnügen. Kiya ist das Zeichen meines Wohlwollens ihm gegenüber...“
Bei diesen Worten gab sie Kemars Drängen nach und ließ sich rücklings auf das Bett sinken. „... Er kann die Krone von Unter-Kemet haben... und ich werde die Krone von Ober-Kemet tragen. Vielleicht mache ich dich zu meinem Gemahl...“
„Was ist mit dem Regenten?“ Gier lag in seinen Augen. Gier auf die Frau unter ihm und auf das, was sie ihm zusätzlich verhieß. „Soll ich ihn töten?“
Er hatte Amenemhat immer gehasst, er würde diesen Gefallen nur zu gern erfüllen!
„Nein...“ antwortete Nefertari. Sie presste Kemar an sich, allein, um seinen lüsternen Blick nicht mehr ertragen zu müssen. Für einen verzweifelten Moment wünschte sie sich mit jeder Faser ihres Leibes nichts mehr, als dass der Körper über ihr Amenemhat gehörte. Dann schoss Wut in ihr hoch. Sie krallte ihre Fingernägel in Kemars Rücken und flüsterte: „Er soll Zeit haben, seine Niederlage zu erleben... Zeit zu leiden...“
Kiya erwachte von einem ungewohnten Geräusch. Sie wusste sofort, dass es nicht hier her gehörte, aber in der mondlosen Nacht konnte sie nichts erkennen. Sie
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