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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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ihren rechten Fuß. Schreiend trat sie nach dem Unbekannten, zog sich erneut hoch und ließ sich einfach auf der anderen Seite fallen. Sie kam weich auf in etwas Stinkendem – ein Haufen Küchenabfälle. Aber im Augenblick war das nicht wichtig. Hauptsache, ihre Beine waren in Ordnung und sie konnte laufen!

    Das Mädchen verhielt erst, als sie keine Luft mehr bekam und die Erschöpfung ihr rote Ringe vor den Augen tanzen ließ. Ihre Füße schmerzten; wie sie jetzt erst merkte, hatte sie ihre Sandalen wohl bei der Flucht über die Mauer verloren und sich die Sohlen an Steinen und Scherben, die im Straßenschmutz lagen, aufgerissen.
    Sie wollte nur noch nach Hause auf ihren Hof, zu ihrem Vater, zu Tameri… Greifbar nah sah sie die weiß getünchten Mauern vor sich, das Schilfdach, die Knechte, die ihr zuwinkten… 
    Aber als sie die Augen wieder öffnete, stand sie noch immer in Waset und eine Katze strich ihr neugierig um die Beine. Wo sie unterdessen war, konnte sie nicht sagen. Die Gasse, in der sie sich keuchend gegen eine Hauswand hatte fallen lassen, sah aus wie jede hier in der Stadt, und im Augenblick war niemand zu sehen. Nur ein Haufen mit Küchenabfällen stank vor sich hin. Hühner stakten durch den Dreck. Weiter vorn erhob sich über den niedrigen Hausdächern ein größeres Gebäude. Ein Tempel oder das Anwesen eines reichen Bürgers? Debora war es gleich. Wenn es die Leute dort gut meinten, konnte sie vielleicht einen Krug Wasser bekommen und nach dem Weg fragen. Sie humpelte in die Richtung und stand wenig später im Eingangstor des Ptahtempels.
    Zögernd ließ sie den Blick schweifen über das Durcheinander, das hier herrschte und die sonst so ruhige Gemessenheit des heiligen Ortes überdeckte. Ein regelrechtes Meer von behelfsmäßigen Behausungen breitete sich im Hof aus. Leinenplanen und Kuhfelle waren zwischen den Säulen des Atriums oder einfachen Holzpfählen gespannt, es roch nach tausenderlei Dingen, angenehmen und weniger angenehmen. Eine lange Reihe wartete am Wasserbecken, in das ein großes Schöpfrad kostbares Nass aus dem Fluss leitete. Menschen saßen oder schliefen zusammengekauert auf ihrer wenigen Habe, ein paar Kinder vertrieben sich die Zeit mit Ballspielen und ernteten immer wieder zornige Beschimpfungen, wenn sie dabei an Gefäße oder andere Personen stießen.
    „Komm nur, keine Angst!“
    Einer der hier Einquartierten war zu Debora getreten und machte eine einladende Geste. „Wir sind viele hier, aber bisher hat sich immer noch ein Platz gefunden! Ich bringe dich zu Kahotep. Bist du auch vor den Unruhen im Delta geflohen, Kind?“
    Sie war zu müde, um etwas zu antworten und trottete nur hinter ihm her.
    Der Mann überquerte den Hof, wechselte hier und da ein paar Worte mit jemandem, wobei Debora das Gefühl hatte, auf der Stelle im Stehen einzuschlafen. Der Weg bis zu den Wohnungen der Priester kam ihr unendlich vor. Durch eine der Türen verschwand ihr Begleiter schließlich, und wieder verging eine halbe Ewigkeit. Dann endlich befahl man sie mit einem Wink ins Innere des Hauses. Dank der dicken Lehmziegelmauern war die Luft hier angenehm kühl und auch nicht so staubgeschwängert wie draußen im Hof. Hinter dem glatt geschliffenen Steintisch erhob sich ein feingliedriger junger Mann, gekleidet in ein einfaches, weißes Gewand und einen in unzählige Falten gelegten Überwurf.
    „Du kannst gehen!“ sagte er jetzt zu ihrem Begleiter. „Ich kümmere mich um sie.“
    Dann sah er zu Debora. Für einen kurzen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Mit dem letzten bisschen Kraft, das sie derzeit aufbringen konnte, lächelte sie und dankte. Er sah Kare ähnlich… nur viel ernster. 
    „Komm, ich zeige dir, wo du bleiben kannst. Später schicke ich noch einen Tempeldiener mit einer Schlafmatte, etwas zu Essen und zu Trinken. Dann magst du dich ausruhen.“

    Bereits kurz nach Morgengrauen waren Amenemhat und seine Begleiter, zwei bewaffnete Männer aus den Reihen der Tempelwächter, vor dem Tor des Seneb-Re-Hofes angelangt. Von drinnen klangen die Geräusche eines wie stets geschäftigen Morgens, als der eine der Wächter mit dem Knauf seines Schwertes gegen die Pforte donnerte. „Aufmachen!“
    Es dauerte einen Augenblick, dann bewegten sich die schweren Flügel. Ein junger Mann starrte den Ankömmlingen überrascht entgegen und fiel einen Moment darauf erschrocken auf die Knie.
    „Wo ist der Herr dieses Hauses?“ fragte Amenemhat, dem Knienden mit seinem Amtsstab auf die

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