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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Oberpriester den Weg frei, und wenig später lenkte Kahotep seine Schritte in eine bestimmte Richtung, ohne genau zu wissen, warum. Vielleicht einfach nur, um für einige Stunden die quälenden Gedanken und Fragen zum Schweigen zu bringen…

    Itakaiet hockte auf einem kleinen Schemel, das Gesicht über ein flaches Wasserbecken gebeugt, und schminkte sich, als der Ruf ihres menschlichen Fußabtreters Khenti zu ihr klang:
    „Herrin! Herrin, ein ehrwürdiger Kunde!“
    Sie verdrehte die Augen. Als ob es ‚ehrwürdige Kunden‘ gäbe! Es gab nur Männer, die alle das Eine wollten. Die Frage war lediglich, wie viel sie bereit waren, dafür zu zahlen! Waren es großzügige Prasser, bemitleidenswerte Figuren oder knauserige Ekelpakete…
    Gemächlich stand Itakaiet auf und richtete ihre Perücke. Es hatte noch keinem Besucher geschadet, etwas länger auf sie zu warten! Dann trat sie aus ihrer Kammer hinaus auf die Galerie und würdigte den Gast eines ersten Blickes. Fast hätte sie dabei einen unprofessionellen Lachanfall bekommen. Da unten, hinter dem sich andienernden Khenti, stand jener junge Ptahpriester, der sie vor ein paar Tagen beinahe in den Straßendreck gestoßen hatte! Und er starrte sie schon wieder an, als sei sie die erste Frau, die er im Leben sah!
    Auch ein paar Gäste hatten sich der amüsanten Szenerie zugewandt. Ein Betrunkener röhrte etwas Unanständiges, rutschte aber unter den Tisch, ehe er noch mehr zum Besten geben konnte.
    „So, du erinnerst dich also noch an die Bezahlung für das verschüttete Bier…“
    Itakaiet war vor Kahotep stehen geblieben und lächelte. „Ich habe gewartet, dass du zurückkommst…“ Ihre langen, hennagefärbten Fingernägel strichen über seine Arme.
    „Gewartet?“ 
    Heilige Dreiheit von Waset! Was ist der Kerl für ein Idiot?! „Aber natürlich… haben sich unterdessen ein paar Zinsen angesammelt, weißt du, mein Süßer? Nun, wollen wir nach oben gehen?“ Hoffentlich bezahlt er genug, um diese Langweilermiene wett zu machen! „Ich nehme an, du suchst etwas… ganz Besonderes?“
    „Frieden“, murmelte Kahotep, mit sich kämpfend, ob er rasch gehen sollte, und es doch nicht über sich bringend, auch  nur einen Zeh zu rühren.
    Khenti stieß ein wieherndes Kichern aus und eines der Mädchen trat mit dem Fuß nach ihm. Itakaiet schenkte dem jungen Priester ihr betörendstes Lächeln. „Glaube mir, du wirst einen himmlischen Frieden verspüren, so vollkommen wie Iset ihn einem Sterblichen schenken kann“, versprach sie.

Kapitel 5

    An diesem Morgen erstrahlte der Amuntempel im Festglanz zahlloser Flaggen und Blumengebinde. Es sollte eine Bittfeier geben um Gesundung des Pharao und Heil in den Kämpfen für seinen Sohn. Durch die Nebeneingänge schob sich eine scheinbar endlose Reihe aus Pilgern, die ihre Opfer abliefern wollten. Zwischen ihnen rannten einige Tempeldiener hin und her, die das Gut aufschrieben, zählten und die Ergebnisse den Priestern weitergaben. Aus den Räucherbecken strömte der Geruch verbrannter Duftstoffe durch die Gewölbe und minderte so etwas die Ausdünstungen von Mensch und Tier.

    Mit seinen Assistenten schritt Amenemhat durch den ersten Hof ins Innere des Tempels. Der vielstimmige Gesang der Chorfrauen begleitete ihn. Seine Gedanken waren bei Debora. Hatte das Mädchen tatsächlich ihr Elternhaus verlassen, um nach Ipet-Isut zu kommen? Die Vorstellung erwärmte sein Herz und schmeichelte seiner Arroganz. Er hatte den Glanz in ihren Augen gesehen, dieses Leuchten gespeist aus einer so unschuldigen Neugier. Sie hatte gerade vom ersten Funken des Feuers gekostet und würde so leicht brennen wie ein junger, eben frisch getriebener Olivenzweig im Kontakt mit den Flammen.
    Debora, Debora… Amenemhat fühlte sein Herz hämmern. Aber… Sie hatte den Tempel nie erreicht! Es musste ihr also unterwegs etwas zugestoßen sein. Und was auch immer das war, er musste sie finden! Nur mühsam seine Gedanken aus diesen Gefilden wendend, blieb der Hohepriester schließlich vor dem Gottesschrein stehen. Er zerschlug das am gestrigen Abend wie stets angebrachte Lehmsiegel und öffnete das Tabernakel. Fein gewebter Stoff verhüllt die goldene Statue Amuns. Amenemhat zog ihn zur Seite und kniete nieder.
    Der Vorlesepriester begann mit der heiligen Litanei.
    „Heil Dir, der Du in Frieden ruhst, Herr mit freudigem Herzen, mit mächtigen Erscheinungen, Herr des Uräus, 
    der die Doppelkrone erhebt … Deine Schönheit fesselt die Herzen, Deine

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