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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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blieb und die Ohren spitzte.
    Beinahe hätte sie nach ihm gerufen, beschloss jedoch noch rechtzeitig, den Mund zu halten. Etwas in dem eindringlichen Blick des Hundes beunruhigte sie. Ihre Finger spannten sich um den Haltegriff der Krücke. Die Schnauze im Wind, das Nackenfell gesträubt, so blickte Harley angespannt in den Wald hinein.
    Panik erfasste Jillian. Sie hob das Gewehr an die Schulter.
    Lass dir bloß keine Angst einjagen.
    Der Hund knurrte tief in der Kehle und senkte den Kopf und die Rute. Kein gutes Zeichen. Sie wusste genug über Hunde, um zu erkennen, wann sie Gefahr witterten. Harley bewegte sich durch den hohen Schnee, zog eine Spur zu einer dichten Kieferngruppe, die er nicht aus den Augen ließ.
    Mit wild klopfendem Herzen richtete Jillian das Gewehr auf die Stelle hinter den Kiefern, die der Hund fixierte. Sie blieb in der Nähe der Hütte und pfiff nach dem Hund, wie sie es ein Dutzend Mal von MacGregor gehört hatte.
    Die Ohren des Spaniels zuckten nicht mal, während er sich mühselig durch den schultertiefen Schnee bewegte.
    »Harley!«, rief sie gebieterisch und beobachtete ihn durchs Zielfernrohr. »Hierher.«
    War der Hund verrückt? Er versank nahezu im Schnee.
    Immer noch gehorchte der Spaniel nicht. Er schlüpfte unter den ersten tief herabhängenden, schneebeladenen Ast einer Gelbkiefer.
    Langsam und vorsichtig entsicherte sie das Gewehr. Der Tag war klar und ruhig. Das Eis reflektierte das Sonnenlicht, dass es beinahe blendete. Kein Windhauch regte sich. Nicht ein einziger Vogelschrei. Nur das Geräusch ihres eigenen angstvollen Atmens.
    Sie blinzelte. Horchte auf das geringste Geräusch. »Komm zurück«, rief sie in der Hoffnung, dass der Hund sie noch hörte.
    Dreh jetzt nicht durch. Vielleicht hat der Hund ein Eichhörnchen gesehen. Oder ein Reh. Oder einen Wolf. Erst neulich hast du doch gelesen, dass der Wolf wieder in Montana heimisch ist. Und Wölfe leben in Rudeln. Können einen Haushund in Stücke reißen.
    Ihr Mund war wie ausgedörrt.
    Sie hatte sich nie vor wilden Tieren gefürchtet, hatte Menschen immer für gefährlicher gehalten, aber jetzt … »Harley, komm zurück!«, rief sie, etwas unsicher auf ihrem einen Fuß, der in einem Stiefel steckte. Die Zehen des anderen waren nackt in der Kälte. »Harley! Hierher!« Mit heftig klopfendem Herzen senkte sie das Gewehr, humpelte bis an den Rand der Veranda und betrachtete die Spuren im Schnee, wo der Hund verschwunden war.
    »Harley!«, rief sie noch einmal. Die Berge warfen das Echo zurück.
    Bamm!
    Ein Schuss.
    Der Hund jaulte vor Schmerzen.
    »Harley!«, schrie Jillian. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Was nun? Sie musste zu dem armen Tier. »Harley!« Vielleicht lebte er noch!
    Sie ging die Verandatreppe hinunter, bevor ihr einfiel, dass zwei Stufen mit Schnee überweht waren. Die Gummispitze ihrer Krücke rutschte leicht ab, doch sie fing sich und folgte mühsam dem halben Weg, den der Hund gegraben hatte. Wer hatte auf ihn geschossen?
    Ein Jäger, der ihn mit einem Wolf oder Kojoten verwechselt hatte. Oder … jemand, der auf der Lauer gelegen hatte?
    Jemand mit dunklen, bösen Absichten. Jemand, der auch auf den Reifen ihres Wagens geschossen hatte …
    Sie hob das Gewehr an die Schulter, fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, ignorierte die Kälte und stapfte weiter.
    Sie sprach kein Wort, lauschte angestrengt auf ein mögliches Winseln des Hundes, auf Schritte oder Flüsterstimmen – aber nichts durchbrach die Stille. Am Rand der Baumgruppe bückte sie sich unter einem Zweig hindurch, und Schmerz schoss durch ihren Unterleib und den Brustkorb.
Das ist Wahnsinn, Jillian. Kehr um. Was kannst du für das arme Tier tun, falls du es überhaupt findest? Willst du es nach Hause tragen? Und wie?
    Sie biss die Zähne zusammen, ging immer weiter, versuchte, so leise wie möglich zu sein, und folgte mit rasendem Herzen dem Weg. Unter den Bäumen lag der Schnee nicht so hoch. Sie hörte das leise Murmeln eines Baches, wahrscheinlich halb zugefroren, und darüber hinweg fernes Motorengeräusch.
    MacGregors Schneemobil?
    Mit dem Gewehrlauf schob Jillian tiefhängende Zweige zur Seite, und dann hörte sie den Hund winseln … Er lebte! Und MacGregor war auf dem Weg. Das Dröhnen des Schneemobils kam näher … oder?
Los, MacGregor, komm her!
Sie umrundete einen Felsvorsprung und sah den Hund, einen schwarz-weißen Fleck auf dem verschneiten Boden. Und mehr noch. Rotes Blut verklebte sein Fell und floss von

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