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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinüberschlenderte und aus dem Fenster blickte, sah sie zwei Personen aus dem niedrigen Jugendgefängnis kommen. Ein hochgewachsener Mann schritt energisch aus. An seiner Seite, mit genügendem Abstand, so dass er sie nicht berühren konnte, lief eine zierliche Frau, die beinahe rennen musste, um mit ihm Schritt zu halten. Sie trug das blonde Haar offen, es schimmerte im Licht der Sicherheitsbeleuchtung. Der Schal, den sie um den Hals trug, wehte hinter ihr her, sie schlang die Arme um ihren Oberkörper in der dunklen Jacke und rannte. Nein, keine Frau. Vielmehr ein Mädchen.
    Heidi Brewster.
    Pescolis Magen krampfte sich zusammen, als sie den Undersheriff erkannte, der jetzt seinen Wagen aufschloss. Brewster hatte offenbar keine Skrupel, seinen Einfluss geltend zu machen, um seine Kleine aus dem Knast zu holen.
    »Sind Sie sicher, dass Sie nicht rübergehen, Jeremy rausholen und ihm gehörig die Meinung geigen wollen?«, fragte Rule aus dem Nebenraum. Sie sah, wie er die Kaffeekanne von der Wärmeplatte nahm. Auf dem Boden der Glaskaraffe befand sich nur noch ein spärlicher Rest. »Und dann könnten Sie ihn zu Hausarrest verdonnern, für … ach, ich weiß nicht, sechs oder sieben Jahre?«
    Er versuchte, die Stimmung aufzulockern. Aber Pescoli gestattete sich kein Lachen. »Ich glaube, es kann Jeremy nicht schaden, zu sich zu kommen und über das, was er getan hat, nachzudenken.« Rule ging mit der schmutzigen Kaffeekanne zur Spüle und spritzte einen Strahl Spülmittel hinein. Er ließ es in der Kanne kreisen und drehte den Wasserhahn auf. »Meinst du nicht auch?« Pescoli kehrte zurück zur Küche und blieb unter dem Türbogen stehen, der die beiden Bereiche trennte.
    Rule zuckte die muskulösen Schultern. »Jeremy hat es nicht leicht im Leben. Vater tot. Mom arbeitet rund um die Uhr im Morddezernat. Stiefvater abgehauen und hat eine neue Frau.« Seifenwasser sprudelte aus der Kanne. Er drehte den Hahn zu und ließ die Kanne zum Einweichen in der Spüle stehen. »Das ist kein Zuckerschlecken, Regan«, sagte er und nannte sie beim Vornamen, als wären sie eng befreundet. »Ich kenne das. Habe es selbst erlebt. Mein Alter war Polizist. Meine Mom ist bei meiner Geburt gestorben. Ich hatte drei Stiefmütter, und keine von ihnen hat sich einen Dreck um mich und meine ältere Schwester gekümmert. Also, ich will nur sagen, dein Junge hat’s nicht leicht.«
    Seufzend schüttelte sie den Kopf. Ein paar Haarsträhnen fielen ihr über die Augen. Die Uhr über der Spüle tickte die Sekunden ihres Lebens fort. »Niemand hat’s leicht, Rule.« Sie brauchte jetzt erst einmal eine Dusche und mindestens vierundzwanzig Stunden Schlaf. Wenn nicht achtundvierzig. Oder gar zweiundsiebzig. Sie war erschöpft bis in die Knochen. »Ich fahre nach Hause. Soll er seinen Rausch ausschlafen. Außerdem habe ich einen Hund im Haus, der vermutlich einen Unfall hatte, und eine Tochter, die womöglich schon von ihrem Bruder gehört hat.«
    »Sie ist bei Lucky?«
    »Ja.«
    »Vielleicht brauchen Sie mal ein bisschen Zeit für sich selbst«, vermutete er, und ihr war klar, dass er auf Nate anspielte.
    Anscheinend war die gesamte Abteilung über ihre Beziehung mit Nate Santana informiert. Warum waren alle so scharf auf ihn? Manche bezeichneten ihn als Herumtreiber, weil er nicht sein ganzes Leben in Pinewood County verbracht hatte. Und sie vermutete, dass viele Leute Nate nicht mochten, weil er für Brady Long, den reichsten Mann von Pinewood County, arbeitete. Brady war eine Art Lokalmatador, wenngleich er als das schwarze Schaf der Longs angesehen wurde, einer Familie, die durch Kupferminen zu Reichtum gelangt war.
    Im Augenblick wäre eine Nummer mit Nate der perfekte Stresskiller gewesen. Aber nicht heute Nacht. Nicht, solange die Übergriffe eines Serienmörders häufiger wurden, ihr Sohn im Knast saß und sie zu müde war, um klar zu denken.
    Er rückte etwas näher an sie heran, legte stützend den Arm um ihre Schultern und drückte sie kurz an sich. »Wissen Sie, Pescoli«, sagte er mit tiefer, vertrauter Stimme. »Sie müssen nicht immer so hart sein.«
    »Nicht?«, fragte sie mit einer gezwungenen Leichtigkeit. »Und wer würde sich dann um deine Probleme kümmern, hmm? Dann müsstet ihr Schwächlinge hier im Dezernat womöglich anfangen, für euch selbst einzustehen.«
    Er lachte, drückte sie noch einmal und ließ dann den Arm sinken. Der alte Kühlschrank in der Ecke erwachte summend zum Leben. »Okay, ich habe gesagt, was ich

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