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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zimmer stand halb offen, an den Wänden spielten seltsame türkisfarbene Schatten. Sie hielt den Atem an, stieß die Tür weiter auf und spähte ins Zimmer. Seine Lavalampe glühte, die schwimmenden Ölkügelchen warfen farbige Umrisse an die Wände.
    Niemand war da. Auch nicht der Hund. Sie sah das Foto von Jeremys Vater an seinem gewohnten Platz und dachte:
Es tut mir so leid, Joe, aber warum musstest du sterben?
    Sie verließ das Zimmer, stieg die Treppe hinauf und ging in die Küche. Da klingelte ihr Handy.
    Die Kinder! Das Display zeigte Luckys Nummer an.
    Ihr Mut sank, und noch bevor sie sich meldete, wusste sie, dass sie jetzt etwas Unangenehmes hören würde. »Hi, Lucky. Sag jetzt nicht, die Kinder sind bei dir.«
    »Ja.«
    »Du hast sie abgeholt?«
    »Du warst nicht zu Hause.«
    »Ich habe gearbeitet! Wir haben darüber gesprochen.«
    »Jeremy hat mich angerufen. Ich habe ihn abgeholt.« Eine lange, unheilschwangere Pause folgte, und Pescoli lehnte sich Halt suchend an den Rahmen des Durchgangs zur Küche, denn tief im Inneren wusste sie, dass schlechte Nachrichten bevorstanden. Sie irrte sich nicht.
    »Die Kinder, Michelle und ich haben uns unterhalten …«
    Kann das denn wahr sein!
    »… und wir alle sind uns einig, dass Jeremy und Bianca bei uns wohnen sollten.«
    Ihre Knie drohten nachzugeben, ihre dunkelsten Ängste hüllten sie ein. Regan suchte Halt an einer Wand in der Küche. »Wir sind uns nicht alle einig. Ich habe ein Wörtchen mitzureden. Ich bin ihre Mutter.«
    »Aber …«
    »Und der Bundesstaat Montana. Das Rechtssystem, schon vergessen? Ich habe das Sorgerecht.«
    »Dinge verändern sich. Damals, ja, da war ich vielleicht nicht das beste Vorbild, aber nachdem Michelle und ich jetzt verheiratet sind …«
    »Hey!«, fiel sie ihm ins Wort. Wut kochte hoch, verdrängte ihre Verzweiflung. »Berufe dich jetzt bloß nicht auf deine glückliche Ehe mit der Barbiepuppe, ja? Denn das kaufe ich dir nicht ab. Sie ist zu jung, um den Kindern eine Mutter sein zu können.«
    »Ich dachte nur, du solltest wissen, dass es ihnen gutgeht«, sagte er mit sprödem, beinahe strafendem Tonfall, als machte es ihm Spaß, sie in den Wahnsinn zu treiben. War es ihm nicht schon während ihrer Ehe immer wieder gelungen? Er konnte sprühen vor Charme, um im nächsten Moment wie eine Schlange zuzuschlagen.
    »Du bringst nicht mal den Unterhalt für die Kinder auf und willst sie jetzt großziehen? Bleib auf dem Teppich.«
    »Apropos. Das muss sich jetzt umkehren. Du wirst Unterhalt an mich zahlen.«
    Sämtliche Hoffnungen auf eine höfliche Beziehung zu ihm verflüchtigten sich in diesem Moment. Darum ging es ihm also. Um Geld. Nicht, dass er die Kinder nicht auf seine typische Lucky-Art gernhatte, aber Geld war das eigentliche Motiv. Er hatte schon immer gemault, sie hätte bei der Scheidung den Reibach gemacht, wenngleich es nicht zutraf. Sie hatte das Haus bekommen, weil sie ihn ausgezahlt hatte, und sie hatte die Kinder bekommen, weil sie eine feste Arbeit hatte, aber damals hatte er die Wahrheit nicht sehen wollen. Jetzt führte er diese Arbeit gegen sie ins Feld. So ein gemeiner Kerl.
    »Ich will die Kinder noch heute Abend wieder zu Hause haben.«
    »Daraus wird nichts.«
    »Und was ist mit Cisco? Hast du meinen Hund auch mitgenommen?«
    »Lass uns eines mal klarstellen. Ich habe meine Kinder nicht ›mitgenommen‹. Sie sind bei mir, weil ihre Mutter keine Zeit für sie hat und weil sie Beständigkeit in ihrem Leben wollen.«
    »Mit dir?«, fragte sie entgeistert.
    »Und was Cisco betrifft, der Hund gehört Jeremy. Ja, er ist auch hier.«
    Sie warf einen Blick auf die leeren Fress- und Wassernäpfe in der Küche und empfand eine merkwürdige Traurigkeit, ganz anders als der Schmerz der Erkenntnis, dass ihre Kinder sich gegen sie und für ihren Vater und ihre Stiefmutter entschieden hatten. Tränen brannten in ihren Augen, doch sie ließ sie nicht zu. »Die Kinder sollen ihre Sachen packen, Lucky«, sagte sie gepresst, nahezu ohne die Lippen zu bewegen. »Denn ich komme und hole sie ab. Einschließlich Cisco. Ich will meinen Sohn. Ich will meine Tochter. Ich will meinen Hund. Und ich komme, um sie zu holen.«
     
    »Ist das Masons Wagen?«, fragte MacGregor, als er vor der Wohnanlage vorfuhr, die Jillians Ex-Mann in Spokane besaß. Es war ein dreistöckiges Backsteinhaus, unterteilt in Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen, sämtlich mit eigenem Zugang und elektronischer Schließanlage. Unter dem Gebäude befand

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