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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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weibliche Intuition, sei es irgendein tierischer Instinkt, jedenfalls wusste sie, dass sie, gefangen in ihrem Autowrack und nicht in der Lage, aus dieser steilen Schlucht zu entkommen, eine ebenso leichte Beute war wie der Hase in der Schlinge. Sie spürte ein Kribbeln böser Vorahnungen auf der Kopfhaut und war überzeugt, dass das, was durch diese verschneiten, nachtdunklen Wälder streifte, die Verkörperung des absolut Bösen war.
    Innerlich war ihr kalt wie der Tod, und immer noch drohte die Schwärze sie einzuhüllen, mit aller Macht.
    Zitternd, gegen die Bewusstlosigkeit kämpfend, reckte sie das Kinn vor und fragte sich, ob sich im Wrack ihres alten Subaru außer einer Scherbe noch etwas anderes finden würde, was sie als Waffe benutzen konnte. Ihre Kamera! Sie war schwer. Den Riemen des Futterals konnte sie schwingen wie eine Bola oder Keule und die Canon. 35  Millimeter in seine Richtung schleudern …
    Wieder eine Bewegung, dieses Mal näher.
    Flink. Dunkel. Huschend.
    Vor dem Auto.
    Für einen Augenblick schoss ihr Puls in die Höhe und ließ sie hellwach werden.
    Jeder einzelne Nerv vibrierte. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor, als sie die Scherbe fester umklammerte. Die Schwärze spielte mit ihrem Verstand, wollte sie dazu verführen, dass sie sich fallen ließ.
    Sie hielt den Atem an. Lauschte angestrengt, spitzte die Ohren und versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen.
    Doch sie konnte nichts sehen, und unerklärlicherweise legte sich der Wind. Eine Gänsehaut überlief ihren Rücken, sie hatte große Mühe, wach zu bleiben.
    Plötzlich wurde die Stille in dem tiefen, eisigen Abgrund ohrenbetäubend.

[home]
    6. Kapitel
    A lvarez war von Natur aus misstrauisch. Andererseits war das auch berufsbedingt. Sie war nicht von Geburt an misstrauisch; nein, sie war ein glückliches Kind gewesen, doch das änderte sich in etwa mit ihrem Eintritt in die Highschool.
    Du kannst nicht vor deiner Vergangenheit davonlaufen.
    Das wusste sie natürlich, aber versuchte es dennoch. Und das würde sie wahrscheinlich immer wieder und wieder versuchen, überlegte sie, als sie durch das Foyer des Gerichtsgebäudes eilte, wo sie in einem Fall von häuslicher Gewalt ausgesagt hatte. Man hatte ihr schon oft gesagt, sie wäre eine gute Zeugin. Kühl. Ruhig. Nicht so leicht aus dem Konzept zu bringen.
    Verteidiger traten äußerst ungern gegen sie an, und die jetzige Verhandlung war keine Ausnahme.
    Sie stieß die Tür zum Gerichtsgebäude auf, spürte den beißenden Wind und zog sich den Schal fester um den Hals. Obwohl sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt bewegten, trug sie einen knielangen Rock, hochhackige Stiefel, einen engen Rollkragenpullover und eine Jacke. Kleine silberne Ohrringe und eine passende Halskette waren die einzigen Accessoires, und sie hatte sich das Haar nicht gar so streng aus dem Gesicht frisiert. Ihre Zeugenaussage war klar und präzise gewesen, ganz gleich, wie sehr der Verteidiger ihr etwas zu entlocken versuchte, was diesen Stiefvater hätte entlasten können. Ausgeschlossen. Nicht, nachdem er die halbwüchsige Tochter seiner Frau schon drei Jahre lang missbraucht hatte.
    Als die Geschworenen in den Saal zurückkamen, hätte sie ihre Dienstmarke darauf verwetten können, dass der Typ für lange Zeit hinter Gitter wandern würde.
    Gut. Sie suchte ihren Wagen auf dem Parkplatz und fuhr auf direktem Wege zu ihrer Einzimmerwohnung, wo sie eine Hose und Schuhe mit flacheren Absätzen anzog. Sie liebte diese ordentliche kleine Wohnung mit dem Schrankbett an einer Wand, dem Zweiersofa, Sessel und Polsterhocker. Auf dem Sims des kleinen gasbetriebenen Kamins an einer Wand standen gerahmte Fotos von Mitgliedern ihrer großen Familie, ein ausklappbarer Schreibtisch nahm den ansonsten für einen Küchentisch vorgesehenen Platz ein. Wie schon seit drei Monaten, so war der Schreibtisch auch jetzt voll von Büchern, Notizzetteln, Diagrammen und ihrem Laptop. Nur ungern dachte sie daran, wie viel Zeit sie in den vergangenen paar Monaten an ebendiesem Schreibtisch mit dem Bemühen um die Aufklärung der jüngsten Mordfälle verbracht hatte.
    Es ging ihr nicht um den Zeitaufwand, aber es ärgerte sie maßlos, dass sie der Lösung der Rätsel nicht einen Schritt näher gekommen war. »Geduld«, ermahnte sie sich, schlüpfte in ihre dicke Daunenjacke, schloss die Tür hinter sich ab und ging wieder nach draußen.
    Ihr fiel auf, dass der Wind während des kurzen Aufenthalts in ihrer Wohnung wieder

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