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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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in ihrem Knöchel aufschreien. Wo war sie da nur hineingeraten?
    Sie erinnerte sich an die Angst. Zuerst, als sie im Wagen eingeklemmt war und fürchtete, in diesem Winter nicht mehr gefunden zu werden. Dann hatte sie eine Präsenz, etwas Böses in den Wäldern gespürt und einen dunklen Schatten gesehen.
    Offenbar war das der Mann, der dich gerettet hat.
    Tolle Rettung. Anscheinend war sie jetzt gefangen in diesem Zimmer aus Stein und rauhem Holz mit einem einzigen Fenster, das nur wenig Licht einließ. Oder war es dunkel? Lieber Himmel, wie lange hatte sie geschlafen?
    Sie hob einen Arm und sah, dass er in einem Ärmel steckte, den sie nicht kannte. Eine Art Thermo-Unterhemd, das ihr viel zu groß war, mit hochgeschobenem Armbündchen. Der andere Arm sah genauso aus.
    Und sie trug keinen BH .
    Jemand hatte ihr die Sachen ausgezogen und dieses übergroße Thermohemd übergestreift.
    Sie versuchte wieder, sich zum Sitzen aufzurichten, doch die Schmerzen in ihrem Bein verboten jede Bewegung, und sobald sie den Kopf hob, wurde ihr schwindlig. Sie hatte einen scheußlichen Geschmack im Mund, so als hätte sie sich seit einer Woche nicht die Zähne geputzt, und sie fragte sich, wie lange sie schon bewusstlos hier lag. Sie drehte sich ein wenig und stellte fest, dass sie eine Art Schiene am Bein trug. Als sie ihr Gesicht abtastete, fühlte sie Verbände.
    Die Person, die sie hierhergebracht hatte, hatte Erste Hilfe geleistet. Auf einem kleinen Nachttisch, kaum mehr als ein Hocker, lag eine Tube mit irgendeiner antibiotischen Salbe, daneben stand ein Plastikbecher mit einem Strohhalm.
    Von ihrer Pritsche aus betrachtete sie die steinerne Wand bis zur Decke hinauf und den Holzofen davor. Hinter kleinen Glastüren gloste Kohlenglut, die Reste von einem wahrscheinlich größeren Feuer.
    Sie vermutete, dass der Mann ziemlich oft ins Zimmer gekommen war, um das Feuer zu versorgen und um nach ihr zu sehen, und sie erinnerte sich verschwommen, jemanden in ihrer Nähe gespürt zu haben.
    Klar, er … er hat dich ausgezogen, deine Verletzungen behandelt, dich ins Bett gesteckt … Er ist dir nicht nur nahe gekommen, sondern viel mehr …
intim
nahe.
    Die Dachsparren ächzten laut, und dann hörte sie das Brausen des Windes und spürte, wie die Wände bebten.
    War sie allein in der Hütte?
    Zwar befand sich niemand bei ihr in dem kleinen Raum, doch unter der einzigen Tür war ein Lichtstreifen zu sehen, ein Hinweis darauf, dass das angrenzende Zimmer beleuchtet war. Sie erwog zu rufen, entschied sich aber dagegen. Irgendetwas war faul hier, wirklich faul, und sie musste Vorsicht walten lassen. Der Mann mit der Skimütze, der sie gerettet hatte, der Mann, dessen Gesicht sie nicht erkennen konnte, hatte sie hierher statt zurück in die Zivilisation gebracht.
    Warum? Besaß er vielleicht keinen fahrbaren Untersatz? Oder wegen des Unwetters? Aber wie war er dann hierhergekommen?
    Trotz allem hatte er sie in diese Hütte schaffen können? Wie war das möglich?
    Befand sie sich in der Nähe der Stelle, wo der Wagen von der Straße abgekommen war? In der Nähe einer Stadt? Oder weitab von allem? Sie würde es nie erfahren, es sei denn, sie würde sich zum Fenster schleppen und hinausspähen. Im Augenblick war das wegen ihres verflixten Beins aber nicht möglich.
    Sie lag ganz still da und lauschte, konnte aber über das Sturmgebraus, das Knarren von altem Holz und das leise Fauchen des Feuers hinweg nichts hören.
    Der einzige Weg aus der Kammer hinaus führte durch die Tür oder durch das kleine Fenster, das sich hoch oben befand und augenscheinlich zugefroren war. War es Tag? Oder Nacht? Sie konnte es nicht erkennen. Morgen- oder Abenddämmerung? Gewohnheitsmäßig schaute sie nach ihrem linken Handgelenk, doch ihre Uhr, die sie kaum jemals ablegte, war fort.
    Na toll.
    Sie betrachtete noch einmal das Fenster, es lag einen Meter achtzig hoch und war so klein, dass sie sich kaum würde hindurchzwängen können.
    Fliehen konnte sie sowieso nicht. Noch nicht. Sie konnte das Bein nicht bewegen, und selbst wenn es ihr gelungen wäre, irgendwie bis zu der Wand zu humpeln, die Pritsche hinüberzuziehen und sich zum Fenster hochzuziehen, was dann? Die Chance, dass sie hindurchpasste, war gering, und selbst wenn sie nicht stecken bleiben sollte, würde sie vor einem neuen Problem stehen: Draußen gegen einen Sturm kämpfen zu müssen, der nicht aufhörte, die Hütte mit wütenden Stößen zu malträtieren.
    Im Augenblick war eine Flucht

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