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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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ausgeschlossen.
    Aber er muss doch ein Fahrzeug haben. Einen Pick-up mit Allradantrieb oder einen Geländewagen oder einfach nur einen Hundeschlitten … Wenn es doch einen Weg gäbe …
    Oder du fragst ihn.
    Sie konnte ihm doch einfach alle Fragen stellen, die sie bedrängten. Schlimmstenfalls würde er lügen.
    Oder?
    Oder redete sie sich etwas ein? Sie glaubte, sich an Frauen zu erinnern, die in Montana nach Autounfällen vermisst wurden. Einzelheiten wusste sie nicht mehr, doch die vorrangige Erinnerung an eine Bedrohung überfiel sie. Ein Mann, der diesen Frauen etwas angetan hatte … Frauen, die allein durch Montana gefahren waren.
    Eine völlig neue Angst breitete sich in ihrem Herzen aus.
    Wie standen die Chancen, dass der wahnsinnige Mörder sie nach dem Unfall gefunden hatte und …
    Aufhören! Gar nicht daran denken. Bleib ganz ruhig.
    Ihr Herz klopfte so laut, dass sie sicher war, es müsste von den Deckenbalken hoch oben widerhallen. Der Puls raste, als hätte sie gerade ein Biathlon hinter sich.
    Sie drängte die Angst zurück, ihre Gedanken überschlugen sich.
    Aus dem Nebenzimmer hörte sie ein Scharren von Holz – ein Stuhlbein auf dem Steinboden?
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
    In der Ritze unter der Tür bemerkte sie einen Schatten, eine rasche Bewegung, als jemand zwischen einer Lichtquelle und der Türschwelle vorbeiging.
    O Gott, kam er jetzt in ihr Zimmer?
    Du hast keinen Grund, ihm zu misstrauen. Er hat dich vor dem sicheren Tod bewahrt, oder?
    Ja, aber er hat mich nicht ins Krankenhaus gebracht oder die Polizei gerufen. Er hat mich, bewusstlos, wie ich war, hierhergebracht. Allein. Und ich bin so hilflos.
    Zunächst einmal konnte sie sich schlafend stellen und überlegen, ob sie ihm trauen sollte.
    Oder nicht.
    Sie rührte sich nicht, als sich knarrend die Tür öffnete. Zwar hielt sie die Augen geschlossen, doch sie
spürte,
dass er ins Zimmer kam, näher an das Bett trat und auf sie herabblickte.
    Atme langsam und regelmäßig. Entspanne deine Muskeln. Nicht die Hände zu Fäusten ballen. Du darfst dich bewegen … man bewegt sich nun mal auch im Schlaf … aber übertreibe es nicht.
    Stundenlang schien er sie anzusehen, doch in Wirklichkeit waren es nur knapp zwei Minuten. Sie hielt die Augen geschlossen, wagte nicht einmal zu blinzeln.
    Irgendwann entfernten sich seine Schritte, und dann hörte sie, wie die Ofentür leise rasselnd geöffnet wurde. Jillian stellte sich vor, dass er jetzt Holzscheite aufs Feuer legte.
    Sie konnte nicht widerstehen und blinzelte ein wenig.
    Es war dämmerig im Zimmer, und als er vor dem Feuer kniete, sah sie den Umriss seiner Gestalt. Viel konnte sie nicht erkennen, gewann nur gewisse Eindrücke, doch ja, er war auf jeden Fall sehr maskulin. Breite Schultern in einem dunklen Pullover, entweder kaffeebraunes oder schwarzes Haar, so lang, dass es sich leicht über dem Rollkragen lockte.
    Das Feuer knisterte laut, verzehrte hungrig den frischen Brennstoff und flammte hinter ihm auf, als er sich zur Seite wandte, nach einem weiteren Holzscheit griff und dabei kurz sein Gesicht im Profil zeigte. Deutlich sah sie sein kräftiges Kinn, die lange Nase, tiefliegende Augen und dichte Augenbrauen, bevor sie die Augen wieder schloss.
    Sie hörte, wie er den moosigen Eichenkloben ins Feuer legte, und riskierte noch einen Blick. Sein Pullover hatte sich bis über den Hosenbund hochgeschoben. Er trug offenbar keine Thermounterwäsche; zu sehen war nur ein halbmondförmiges Stück festen Fleisches, straffe Haut über harten Rückenmuskeln, die regelmäßiges Krafttraining vermuten ließen.
    »Gefällt dir, was du da siehst?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. Seine Stimme hallte durch den Raum.
    Beinahe wäre sie zusammengezuckt. Jillian schloss die Augen und rührte sich nicht.
    »Ich könnte jetzt etwas sagen wie: Mach doch ein Foto, davon hast du länger etwas. Aber das wäre ein bisschen angeberisch, meinst du nicht auch?«
    Sie antwortete nicht, hörte jedoch, wie er sich die Hände rieb, um sie von Holzstaub oder Sägemehl zu reinigen. Wahrscheinlich richtete er sich jetzt wieder auf.
    Er näherte sich dem Bett.
    Gott steh mir bei.
    »Ich weiß, dass du wach bist.« Wieder stand er vor ihr, und wieder spürte sie seinen musternden Blick. »Jillian?«, sagte er etwas leiser, und sie starb tausend Tode. Er wusste, wer sie war. Aber natürlich. Er war ja im Besitz all ihrer Habseligkeiten – Handtasche, Laptop, Handy, wahrscheinlich sogar der

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