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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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lag auf einem Berg, doch die Aussicht, falls vorhanden, wurde von einem dichten Schleier wirbelnden Schnees verdeckt, der über den Boden der Veranda fegte. Die Gegend war tiefverschneit.
    Die Sicht jenseits der Veranda betrug höchstens drei Meter. Doch Jillian hörte das wilde Heulen des Sturms, spürte, wie er dieses alte Gebäude aus Holz und Stein durchrüttelte.
    Der Mut verließ sie. Der Sturm löschte jeden Gedanken an Flucht, an Hilfesuche aus. Sie saß hier erst einmal fest. »Na großartig«, sagte sie leise, drehte sich langsam, um sich umzuschauen, und der stechende Schmerz in der Brust erinnerte sie daran, dass sie sich bei dem Unfall wahrscheinlich eine oder zwei Rippen gebrochen hatte.
    Wie vermutet, hielt sich niemand in der Hütte auf. Weit und breit kein Mensch. In dem massiven steinernen Kamin leckten die Flammen gierig an einem Holzkloben, warfen blutrote Schatten in wechselnder Gestalt auf Steine und Fenster.
    Das ist nicht unheimlich. Vielmehr gemütlich.
    »Ja, ganz bestimmt.«
    Indem sie entschlossen den Schmerz in ihrem Knöchel ignorierte, humpelte sie zu dem vermeintlichen Gewehrschrank. Natürlich war er abgeschlossen, ein Schlüssel nirgends zu sehen. Wieder mal kein Glück.
    Durch einen offenen Durchgang gelangte sie in eine winzige Küche mit zerkratzten hölzernen Arbeitsplatten und Schränken, die aussahen, als wären sie über hundert Jahre alt. Doch es gab ein Spülbecken mit Wasserhahn, also stand wohl fließendes Wasser zur Verfügung, wie das Tröpfeln des Hahns bewies. Zumindest brauchte sie sich nicht durch meterhohe Schneeverwehungen zu einem Klohäuschen zu kämpfen. Durch die Küche hangelte sie sich zu einer schmalen Tür am anderen Ende des Raums. Sie gab den Weg frei in ein kompaktes Bad mit rissigem Linoleum und einem winzigen Fenster über einer klauenfüßigen Badewanne mit Dusche. An einer Wand befanden sich eine Toilette und ein kleiner Waschtisch. An der anderen standen Waschmaschine, Trockner und ein alter Schrank.
    »Der komplette häusliche Komfort«, sagte Jillian leise, schloss rasch die Tür, hielt sich mit einer Hand am Waschtisch fest und stemmte sich mit Hilfe der Krücke zur Toilette vor. Nachdem sie sich erleichtert hatte, stand sie vor dem Waschbecken und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Ihr Haar sah schauderhaft aus, fettig und zottelig, ihr Gesicht war von Blutergüssen verfärbt, das Weiße eines Auges blutunterlaufen. »Süß«, sagte sie, schlug sich Wasser ins Gesicht und ließ keinen Gedanken an die Schmerzen in der Brust und in dem verletzten Knöchel zu.
    Sie durfte keine Zeit verlieren.
    Sie musste einen Weg finden, von hier wegzukommen und irgendwie Kontakt zur Zivilisation aufzunehmen. Sie konnte sich ein Gewehr aus dem Schrank und etwas Munition holen, die wärmsten Sachen anziehen, die sie fand, und … und … und dann? Mitten im Schneesturm an einer Krücke den Berg hinunterhumpeln?
    Vielleicht gab es ein Fahrzeug. Einen Pick-up mit Allradantrieb oder ein Schneemobil oder irgendetwas … und sei es ein Pferd. Jillian hinkte zur Hintertür und spähte durch die vereiste Scheibe. Ja, da waren noch ein paar andere Gebäude. Eines davon mochte eine Garage sein. Ein anderes eine Scheune. Doch der Weg dorthin war eisglatt und von Schnee verweht.
    Sie hatte zwei Schubladen geöffnet, als sie das Messer fand, ein schmales Filetiermesser mit langer Schneide, ideal, um Fleisch von Knochen auszulösen. Oder um sich zu verteidigen. Jillian hielt die Waffe fest umklammert, ging zurück in den Wohnbereich und entdeckte, an der Wand befestigt, nicht nur Schneeschuhe, sondern auch Skier.
    Was sollten die ihr nützen?
    Das Telefon!
    Zum Kuckuck, Jillian, was hast du dir gedacht? Wo ist das Telefon?
    Sie humpelte zurück in die Küche, fand aber nirgends ein Telefon, und als sie einen Lichtschalter betätigte, rührte sich nichts. Stromausfall. Kein Wunder bei diesem Unwetter.
    In der Küche gab es kein Telefon.
    Zurück in das saalartige Wohnzimmer.
    Gleich hinter dem Durchgang hielt Jillian Ausschau nach einem Festnetzanschluss, nach einem Handy, einem Computer, irgendeinem Gerät, mit dessen Hilfe sie Kontakt zur Außenwelt aufnehmen konnte, sobald es wieder Strom gab. Sie musste fort von hier, musste jemanden wissen lassen, wo sie war, musste … Wo war es?
    Mit pochendem Knöchel schritt sie die Wände des Wohnraums ab. Gab es gar keinen Festnetzanschluss? Kein Modem für Computerbetrieb? Nicht mal einen dämlichen Fernseher?
    Vorsicht,

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