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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Tomkins’ Tod. So entschieden zumindest der Gerichtsmediziner und der Richter. Man gestand mir mildernde Umstände zu, und ich verbrachte sechzehn Monate im Gefängnis.«
    »Das ist ja furchtbar!«
    »Margot gab mir die Schuld dafür, dass sie ihren Mann und ihr Kind verloren hatte.« Er brachte ein freudloses Lächeln zustande. »Das hat man davon, wenn man ein aufrechter Mensch sein will.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihr Bier. »Du hast es immer noch nicht angerührt.«
    Sie ging darüber hinweg. »Und dann?«
    »Das Ende vom Lied war, dass Margot sich mit einem anderen Loser eingelassen hat, der sie ebenfalls prügelte. Das hörte ich von einem der Wärter, der sie kannte, kurz bevor ich aus dem Gefängnis kam.« Er trat an den Gewehrschrank, öffnete ihn mit einem Schlüssel, den er in seiner Jeanstasche aufbewahrte, nahm ein Gewehr mit langem Lauf heraus und schloss ihn wieder ab.
    »Was haben Sie vor?« Mit plötzlicher Beklemmung sah Jillian ihm zu.
    »Ich gehe raus.«
    »Jetzt?« Was dachte er sich dabei? Zuerst gestand er ihr, dass er einen Menschen getötet hatte, dann griff er zum Gewehr? Wollte er sie um den Verstand bringen?
    »Bevor es dunkel wird.« Einer Schublade des Bücherschranks entnahm er ein paar Patronen, ging dann mit der Winchester und dem Munitionspaket zur Eingangstür, nahm seine Jacke vom Haken, schlüpfte hinein und sagte nur: »Ich muss nach den Straßenverhältnissen sehen. Wenn der Sturm sich wirklich legt, kommen wir vielleicht schon bald weg von hier.«
    Jillian wagte es nicht, daran zu glauben. Aber es fiel ihr ja auch schwer, so manches andere zu glauben, vielleicht sogar MacGregors letzte Geschichte. Entsprach sie der Wahrheit? Auf jeden Fall hatte sie den Eindruck gehabt. Der schmerzliche Ausdruck auf seinem Gesicht, die Wut in seinen Augen – das alles wirkte ziemlich echt.
    Und – er hatte ihr nichts getan. Außerdem sah es so aus, als wollte er sie genauso schnell loswerden, wie sie von hier fortkommen wollte. Und doch … er machte sie trotzdem nervös. Besonders mit einem Gewehr in der Hand.
    Vergiss es, Jillian. Wenn er dir etwas antun wollte, hätte er es längst getan.
    »Sie machen mich nervös.«
    Er schaute auf, sah, dass sie auf das Gewehr starrte, und nickte. Rasch öffnete er die Tür und stellte die Waffe auf der Veranda ab. »Ungünstiger Zeitpunkt.«
    »Sehr ungünstig.«
    »Mir fiel nur gerade auf, wie dunkel es schon wird. Und in diesem Teil der Wälder gibt es Pumas und Bären. Die greifen zwar selten an, aber sicherheitshalber …« Er lächelte ihr unschuldsvoll zu und nahm ein Paar Schneeschuhe aus der Halterung über der Tür. Als er sich danach reckte, rutschten seine Jacke und sein Pullover hoch und gewährten ihr, wie schon einmal, einen Blick auf straffe, steinharte Muskeln.
    Als er sie bei ihrer Betrachtung ertappte, wandte sie schnell den Blick ab, griff nach dem Bier und trank schließlich doch einen Schluck. Er stellte die Schneeschuhe an der Tür ab und durchquerte die Küche. »Ich sollte dir wohl etwas mehr Holz bereitlegen.«
    Pflichtschuldigst holte er Feuerholz herein und legte es auf die Glut. Dann schnallte er sich die Schneeschuhe an die Stiefel, während Harley abenteuerlustig um seine Füße herumtanzte, doch MacGregor wies ihn zurück. »Du bleibst. Ich bin in ein paar Minuten zurück.« Harley begann zu winseln, doch MacGregor schnippte mit den Fingern. »Schluss damit.« Der Hund war still, setzte sich und sah seinen Herrn an. »Braver Junge.« MacGregor zog Skibrille, Mütze und Handschuhe an. »Du hältst die Stellung.« Er warf Jillian einen Blick zu, und ihr stockte der Atem. Groß und bedrohlich, ganz in Schwarz. War er die Person, die sie glaubte gesehen zu haben, als sie im Wagen eingeklemmt war, die bösartige Präsenz, die sie gespürt hatte?
    »Ich bin gleich zurück.«
    »Und wenn nicht?«
    »Du wirst es überleben. Das restliche Bier findest du in der Garage, und die Konserven reichen, um dich und Harley bis zum Tauwetter im Frühling am Leben zu erhalten.«
    »Wie tröstlich.«
    Er lächelte, ging zur Tür hinaus, die mit einem dumpfen Schlag und einem Klicken zufiel, als das Schloss einschnappte.
    »Immerhin lebst du noch und bist fast gesund«, sagte sie laut, und ihre Stimme schien beinahe ein wenig zu hallen. Schon jetzt kam ihr die Hütte stiller, dunkler, einsamer vor. »Nur deine Einbildung«, ermahnte sie sich. Sie trank aus ihrer Flasche, obwohl sie gewöhnlich nicht viel von Bier hielt. »Ein

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