Der Smaragdenregen
kann!«
»Oje, wie konnte ich bloß vergessen, daß es hier keinen breiten Durchschlupf gibt!« rief Rou betrübt aus. »Was machen wir denn jetzt? Umkehren?«
Chris überlegte eine Weile, dann sagte er:
»Die Tafeln müssen doch auch dort hineingelangt sein. Wahrscheinlich gibt es hier eine versteckte Tür. Man hat sie nur gut getarnt, damit niemand den Schatz entdeckt.«
Er nahm einen großen Stein und begann die Wand unten neben dem Spalt abzuklopfen. Das Material erwies sich als ziemlich mürbe. Mit einigen Schlägen gelang es Chris, eine so große Öffnung zu schaffen, daß er den Kopf hindurchstecken konnte. Er arbeitete weiter und verbreiterte das Loch, bis er in die Höhle schlüpfen konnte.
Dort lagen, vom Boden bis zur Decke aufgestapelt, viereckige Tafeln von der Größe einer Heftseite. Sie waren kaum einen Millimeter dick und erinnerten vom Material her an mattes Glas. Sie fühlten sich nur fester und elastischer an. An einem Rand waren sie, zu fünfundvierzig Stück je Packen, mit acht Ringen zusammengeheftet. Die Seiten dieser ungewöhnlichen Bücher waren mit kleinen schwarzen Zeichen bedeckt, die sich zu Zeilen fügten.
Chris hob eines der Bücher auf und entdeckte darin tatsächlich die kunstvolle Darstellung eines Drachen. Er besaß große Ähnlichkeit mit Oicho.
Ja, wirklich, Rou hatte sich nicht geirrt! Doch wie sollte man die Ähnlichkeit zwischen zwei Lebewesen erklären, die auf so unterschiedlichen Planeten zu Hause waren? Gewiß, auf der Erde gab es die Drachen nur im Zauberland. Dort befand sich auch der Schwarze Stein der Gingema, durch den Chris zur Rameria gelangt war. Schade, daß wir nicht länger in dieser Höhle bleiben können, dachte er, hier gibt es ja unheimlich viele Dinge zu erkunden! Doch der Proviant ging zur Neige, und Gou kam vielleicht eher zurück als angenommen. Dann würde er sie nicht am vereinbarten Platz vorfinden.
Sie beschlossen, in der Bibliothek zu übernachten und am frühen Morgen den Rückweg anzutreten. Allerdings gab es hier unten keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, deshalb wußte Chris auch nicht genau, ob es draußen hell oder dunkel war. Er setzte sich in der Ecke der Höhle auf einen Stapel Tafeln und vertiefte sich in die Lektüre des erstbesten Buches, das er herausgegriffen hatte.
DIE LEGENDE VON CHOO UND GUR
Auf der ersten Seite des Buches war ein riesiges, völlig unbekanntes Tier zu sehen.
Sein massiger Körper ruhte auf vier säulenförmigen Beinen und einem langen, am Ende gegabelten Schwanz. Der Kopf des Tieres war dem Betrachter zugewandt: Es schaute ihn aus großen schwarzen Augen aufmerksam und gelassen an. Es schien ein kluges und gutmütiges Wesen zu sein. Doch was an ihm besonders auffiel, waren die gewaltigen Flügel. Später bemerkte Chris, daß fast alle Tiere, die auf den Zeichnungen abgebildet waren, Flügel hatten.
»Das ist Choo!« flüsterte ehrfurchtsvoll und zugleich ein bißchen ängstlich Mou, der von hinten an den Jungen herangehuscht war. »Auf der Rameria gibt es auch heute noch viele steinerne Choos, die von den Vorfahren der Arsaken errichtet wurden, inzwischen aber halb zerstört sind.«
Chris vertiefte sich in die buchstabenähnlichen Zeichen auf den Tafeln und stellte schnell fest, daß sie Wörter bildeten. Einige der Zeichen waren ihm zwar unbekannt, dennoch konnte er den Text ganz gut entziffern.
Das war vielleicht ein Ding! Chris staunte. Da kam man auf einen fremden Planeten, fand sich in einer altertümlichen unterirdischen Bibliothek wieder und studierte seelenruhig Bücher aus grauer Vorzeit. Voller Neugierde begann er zu lesen.
»… Diese Geschichte wurde uns von den Ahnen unserer Ahnen überliefert und für die Enkel unserer Enkel aufgeschrieben.
Vor mehr als einem On Jahre waren die Sonne noch gelb und die Berge hoch (später erfuhr Chris von Ilsor, daß ein On tausend Millionen bedeutete). Wo sich heute die Wüste von Rameria erstreckt, rauschte damals das Meer, das ganze Festland aber war von Urwald bedeckt. Der Planet war von riesigen Tieren bevölkert, die nicht nur schnell laufen und hoch springen, sondern auch fliegen konnten. Das stärkste unter ihnen war der Große Choo. Die Tiere lebten nach strengen, doch gerechten Gesetzen.
Sehr viel später, etwa ein halbes On Jahre danach, tauchten auf dem Planeten die ersten Menschen auf. Im Gegensatz zu uns waren das richtige Riesen. Zuerst herrschte Feindschaft zwischen Menschen und Tieren. Doch starke Wesen sind fast immer auch gut,
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