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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Sie stand rasch auf und humpelte durch den Raum. Keine Spur mehr jetzt von der jungen, grazilen Rowena.
    Er hatte die schreckliche Angst auf dem Gesicht des toten Dylan Thomas gesehen, als er wieder und wieder zu einem gewaltsamen Tod gezerrt wurde, der irgendwo hier in der Nähe geschehen sein musste. Ein Tod, den er ohne Frage heute Nacht noch mit ansehen würde.
    » Sie leiden«, sagte er.
    Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu, bereit, erneut zuzubeißen.
    » Es ist eine Ehre. Sie wissen es nicht, aber sie geben sich hin, damit andere leben können.«
    » Bäume«, flüsterte Nicholas.
    » Ja, Bäume!«, fauchte Quill. Orangefarbenes Licht tanzte unter ihrem Kinn und den Augen, so dass sie aufzusteigen schien wie ein lodernder Dschinn. » Und mehr als Bäume. Der lebende Wald birgt Geheimnisse.« Sie wandte ihm das Gesicht zu, und je mehr ihre Leidenschaft anschwoll, desto jünger wurde sie, so atemberaubend schön, dass Nicholas nur staunend schauen konnte. » Die Wälder haben früher die Welt beherrscht, und die Menschen waren winzig in ihnen – winzig und voller Angst. Die Wälder haben uns ernährt und unterrichtet und ihre Geheimnisse mit denen geteilt, die auf Ihn hörten. Oh, welch große Angst sie überkam, als wir den Gebrauch des Feuers lernten. Feuer und Stahl. Feuer und Stahl, und die Waage neigte sich. Dann wurden wir zahlreicher als die Bäume. Wir wurden zum Mehltau auf ihnen, wie dieser verfluchte Pilz auf unseren Rüben. Giftig, alles infizierend. Einer von ihnen«, sie zeigte auf das Fenster zu dem verborgenen Panorama des Walds, » kann fünfhundert Jahre lang wachsen. Weißt du, wie viele Menschen aus einem Menschenpaar im Lauf von fünfhundert Jahren entstehen können? Eine Million! Eine Million Münder und Leiber, die noch mehr Feuer, noch mehr Holz, noch mehr Essen, noch mehr Platz brauchen.«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihr langes, blondes Haar glänzte wie Seide. Ihre Augen forschten verzweifelt in den seinen.
    » Wir sind die Seuche«, flüsterte sie. » Was macht es schon aus, wenn ein paar junge Menschen sterben müssen? Es wird immer neue geben, verlass dich darauf.«
    Sie hob den Kopf, ihr Hals war lang, schlank und weiß. Auf der Haut zwischen dem Hals und der Rundung ihrer Brüste glitzerten köstliche Schweißperlen. Nicholas wurde von Kopf bis Fuß heiß, und er wandte den Blick ab, verärgert über seinen Körper. Der Regen auf dem Dach schwoll an. Rowena und er hätten die einzigen Menschen im Umkreis von tausend Kilometern sein können. Trotz seiner Wut, trotz seines Abscheus wollte sein Körper sie.
    » Es ist eine Lüge«, flüsterte er. » Du bist eine Lüge.«
    Sie stand von ihrem Stuhl auf, geschmeidig und leicht wie Luft, und kauerte sich über ihn. Ihre Augen funkelten.
    » Dieses Haar ist eine Lüge?«
    Ihr Gesicht schwebte über seinem, und ihr Haar fiel wie ein goldener Vorhang über sie. Sie senkte ihren Mund herab, bis ihre Unterlippe seine Stirn streifte.
    » Und diese Haut?«, flüsterte sie.
    Ihre Berührung war elektrisch. Sein Blut pulsierte, und seine Leisten schmerzten.
    » Es ist im Augenblick flüchtig, sicher«, schnurrte sie. » Aber das muss nicht so bleiben. Ich brauche nur darum zu bitten. Ich habe nie um etwas für mich gebeten, nur für mich.« Sie schob ihren Kopf vor, bis ihr weißer Hals über seinem Gesicht war, und ihr Atem blies über sein Kinn, seine Kehle, seine Brust. Ihre Brüste schwangen frei und voll, verlockende Zentimeter von seinen Augen, seinem Mund entfernt. » Wir können jung sein zusammen.« Sie kroch rückwärts, bis ihre Lippen wieder über seinen waren.
    Nicholas spürte sein Herz so heftig hämmern, dass es ihn auf dem Boden schüttelte. Der pulsierende Regen draußen trieb sein Blut an, der Regen, der hart und lebendig fiel, versessen darauf in den Boden zu sinken, durch Wurzeln und Stämme aufzusteigen, in üppigen, leuchtenden Blättern zu explodieren.
    Aber Hannah …
    » Und was ist der Preis dafür?«, flüsterte er.
    Ihre perfekten Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln. » Sie wird nicht lange leiden«, flüsterte sie zurück, mit einem Atem so jung wie ein Baumtrieb.
    Er konnte ihre Wärme fühlen. Ihren süßen Schweiß riechen. Die Haut über ihm war so weiß und vollkommen, dass es nichts anderes auf der Welt gab – sie konnte sein Himmel, sein Bett, seine Nahrung sein. Er biss die Zähne zusammen. Es ist eine Lüge, dachte er. Es ist alles eine Lüge. Ihre Ausreden, ihr Doppelleben, ihre Namen.

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