Der Sog - Thriller
drückte an die Holztür. Sie war schwer, aber als sie sich anstrengte, bewegte sie sich ein klein wenig … dann verriet das heftige Klicken von Metall auf Metall, dass es nicht weiterging. Ein Riegelschloss auf der Oberseite der Tür verhinderte, dass Hannah sie öffnen konnte.
Sie war eingeschlossen.
38
Wind aus dem Westen peitschte die Bäume zu einem atemgleichen Rascheln und trieb die Frauen schneller voran.
Suzette fühlte sich gedrängt, von trockenen Fingern einem Ort und einem Geschick entgegengeschoben, das gewichtig und schwarz auf sie wartete. Seit ihre Mutter ihr von Pritams Tod erzählt hatte, fragte sie sich, ob das hier nicht einfach ebenfalls zu Quills Plan gehörte.
» Sind wir nicht ein tolles Trio?«, sagte Katharine, während sie Seite an Seite marschierten. Drei Frauen: eine mit strengem Blick und hübsch, eine schlank und sehr schön, die dritte an der Schwelle zu einem attraktiven mittleren Alter. Alle drei trugen das Haar vernünftigerweise zurückgebunden, während sie mit einer Gabel oder einem Spaten in der Hand und grimmiger Entschlossenheit auf den Gesichtern dahintrabten.
Laine lächelte. » Sind wir verrückt?«
Katharine sah sie zustimmend an. » Und ob. Aber es tut gut, oder?«
Suzette dachte daran, was Nicholas vor Tagen gesagt hatte – auch wenn es ihr erschien, als wäre es Wochen her. Ich dachte, du hast einfach Spaß am Gärtnern, hatte er gesagt Was war das alles? Schierling und Alraune und Hokuspokusfidibus-Zeug?«
» Feuer brenn und Kessel brodle«, sagte Suzette. Sie sah ihre Mutter an. Katharine erwiderte ihren Blick und nickte.
» Genau das sind wir«, sagte Katharine. » Drei Hexen, bewaffnet vom Gartendiscounter.«
Laine lachte kurz auf, aber ihre heitere Miene verflog schnell wieder.
Das Wort » Hexe« schien ihnen allen Angst zu machen. Sie schwiegen und hingen vielleicht denselben Gedanken nach. Wo war Nicholas? Noch im Wald? Hatte er Quill gefunden? Hat sie ihn gefunden?
Die Nacht war noch jung, aber kalt, und etwas veränderte sich in der Luft. Suzette sah, wie Katharine den Himmel beobachtete und folgte dem Blick ihrer Mutter. Wolken, schwer wie Schiefer und aufgedunsen wie die Bäuche verendeter Tiere, wälzten sich über den Himmel. Regen stand bevor. Schwerer Regen.
» Kommt ihr euch klein vor?«, fragte Katharine. » Ich komme mir sehr klein vor.«
Als sie die Carmichael Road erreichten, waren ihre Gesichter eintönige Schatten.
» Wieso stehen diese Autos hier?«
Suzette und Katharine folgten dem Blick von Laines grauen Augen.
Auf dem dunklen Grasstreifen am Waldrand standen mehrere Fahrzeuge.
» Ich weiß nicht …«
Rote und blaue Lichter zuckten und blendeten die Frauen; eine Sirene stieß ein kurzes Heulen zur Warnung aus.
» Meine Damen?«, rief eine Männerstimme. » Bitte kommen Sie hier herüber.«
39
Nachdem Rowena Quill ihre Geschichte erzählt hatte, war sie verstummt und hatte sich um ihr Feuer gekümmert.
Nicholas hatte versucht, sich abzuwenden, seine Augen zu schließen, zu überlegen, wie er entkommen und sie töten könnte … aber dann hatte er plötzlich ihre Finger beobachtet.
Das Feuer war voll entfacht und nährte sich selbst, und Quill legte den Schürhaken beiseite, so dass ihre Hände frei waren. Sie begannen die Luft über dem Feuer zu weben, schienen Schatten und Feuerschein ineinanderzuziehen, zeichneten Symbole in die flimmernde, Funken sprühende Luft über der Kohlengrube.
Nicholas sah wie gebannt zu. Ihre Stimme war ein Singsang aus Worten, die er nicht verstand, aber der Tonfall war eindeutig. Anrufend, einladend, flehend. Bitte, bitte …
Er wurde durch die ersten schweren Regentropfen auf dem Schindeldach aus seiner Verzauberung gerissen. Es war ein kurzes Vorspiel; binnen Sekunden fiel strömender Regen. Regen, der die Suchmannschaften abschreckte. Regen, der Quill genügend Zeit verschaffte, Hannah Gerlic zu töten und ihre Leiche kilometerweit fortzuschaffen.
Nicholas drehte sich auf den Rücken. Die Stricke gruben sich schmerzhaft an den Handgelenken ein und verhinderten größtenteils die Blutzufuhr zu den Füßen, so dass diese kalt und taub waren.
» Lassen Sie das Mädchen gehen, Rowena.«
Eine Weile sagte Quill nichts, sondern legte den Kopf schief und lauschte dem Steptanz auf dem Dach.
» Sie darf nicht zurückkehren«, sagte sie. » Sie wird sie hierher führen.«
» Sie haben ihre Schwester getötet. Ihre Eltern sind bereits …«
» Sie wird nicht leiden«, fuhr ihn Quill an.
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