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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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So zu tun, als wäre sie Teil einer Stadt, von der sie sich nährte, die sie ausblutete, aus der sie sich Kinder pflückte, als wären sie Unkraut in einem Garten.
    » Ihre Kirche war ebenfalls eine Lüge«, zischte er. » Eine Kirche für den einen Gott, aber für einen anderen gedacht.«
    Sie schwebte über ihm, ihre Lippen waren seinen so nahe, dass es kribbelte, als würde sich jeden Moment ein Blitz zwischen ihnen entladen. Sie lächelte.
    » Wie kommst du darauf, dass sie nicht ein und derselbe sind?«
    Nicholas blinzelte. Hatte nicht Pritam einmal das Gleiche gesagt? Es fiel ihm so schwer zu denken. Seine Leisten pochten schmerzhaft, hungrig. Seine Brust hämmerte. Sein Mund fühlte sich feucht und trocken zugleich an. Was wollte sie damit sagen? Die Kirche Christi? Die Kirche des Grünen Manns?
    Ihre Zunge spielte hinter den weißen Zähnen. Ihre Augen waren groß, die Pupillen dunkel und weit vor Erregung, ihr Atem war süß und leicht würzig.
    » Er lief unter vielen Namen in vielen Zeitaltern. Aber Seine Geschichte ist dieselbe«, sagte sie. » Er stirbt, damit wir leben können. Jedes Jahr stirbt Er für uns, und dann wird Er wiedergeboren für uns. Und alles, worum Er im Gegenzug bittet, ist Demut«, ihre Lippen berührten seine, » und ein kleines Opfer.«
    Es schien plötzlich so einfach. Bleib. Er musste nichts weiter tun als bleiben. Träumten die Menschen nicht von so etwas? Eine Idylle, ein von Gesang erfülltes Nest aus Bäumen, in dem er so lange leben konnte, dass er wie die Bäume selbst sein würde; tief verwurzelt, geschützt und sicher. Eine Frau, die ihn verstand, die um seine Gabe wusste, die ihn so sehr wollte, dass sie für ihn tötete, die schmerzhaft schön war und wie eine Droge auf sein Fleisch wirkte. Die Zeit würde ihr Gewicht verlieren. Das Leben wäre vollkommen.
    Rowena lächelte ihn an, als könnte sie seine Gedanken lesen. Ihre Fingerspitzen strichen über seinen Hals, ihre Lippen bewegten sanft die Luft über seinen. Sein Mund war feucht, er musste sie unbedingt schmecken. Ihr Körper war so nahe, dass seine Wärme im erotischen Rhythmus des Regens zu ihm hinunterströmte. Ja, sagte sie ohne Worte. Das Leben wäre vollkommen.
    Bis auf …
    » Bis auf die Geister«, flüsterte Nicholas.
    Er spuckte ihr ins Gesicht.
    Sie kreischte auf, die Maske der Jugend zerriss wie Rauch in einem plötzlichen Windstoß, und die alte Hexe Quill bäumte sich über ihm auf, verrunzelt und widerlich. Sie schlug ihm so heftig ins Gesicht, dass sich weiße Sterne zu den orangefarbenen Funken gesellten.
    Regenwolken wälzten sich über den Himmel, und von dem wenigen Licht, das der Nachthimmel geboten hatte, war nichts mehr übrig. Wo das Mondlicht drei weiße Schlitze durch die Ritzen im schweren Holz der Kellertür geschnitten hatte, sickerte nun Regenwasser, das sich zu großen, kalten Tropfen sammelte, ehe sie auf die Ziegeltreppe fielen und zerplatzten.
    Hannah war völlig durchnässt und weinte. Ihre Finger waren um frustrierende Millimeter zu dick, um sie zwischen die Bretter der Falltür schieben und den Riegel erreichen zu können. So kauerte sie auf der Treppe unter der Tür und versuchte mit ihrem Schälmesser durch die Ritzen zu fahren und den Riegel zu bewegen … doch ohne Erfolg. Der Bolzen musste um neunzig Grad gedreht werden, ehe er aus der Führung sprang und beiseitegeschoben werden konnte. Die Klinge fand keinen Ansatzpunkt auf dem runden Stahl.
    Hannah fühlte ihr Herz schneller schlagen. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier unten war, aber es waren sicherlich Stunden. Sie erinnerte sich daran, dass es in der Nacht, in der Miriam entführt wurde, ebenfalls heftig geregnet hatte. Ihre Zeit lief zweifellos ab. Sie würde sterben.
    Sie rutschte auf dem Gesäß in das tintenschwarze Dunkel zurück. Sie musste irgendetwas finden, womit sie den Bolzen bewegen konnte, aber was? Ich bin so eine Idiotin. Hätte sie ihre Turnschuhe getragen anstatt der Slipper, dann hätte sie jetzt Schuhbänder! Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie sie den Schnürsenkel um den Bolzen legte, an beiden Enden kräftig zog und den Bolzen frei drehte. Wenn Wünsche Pferde wären, würden Bettler reiten, würde Vee sagen.
    Der Raum war beinahe pechschwarz, und sie konnte so gut wie nichts erkennen. Ihre Finger tasteten sich durch die Dunkelheit. Regale waren wie unterirdische Grabstätten in die Kellerwand gehauen. Gläser in jeder Größe. Sie zog eins heraus und schüttelte es. Ein leises Rattern.

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