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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Fleisch. Er übergab sich. Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen ihm über die Wangen. Er sog die beißende Luft ein, und Spinnwebfäden drangen ihm in den Mund. Die Dämpfe ließen ihn erneut würgen. Er krabbelte weiter. Der immer schwerer werdende Stock konnte die seidigen Vorhänge nicht mehr aus dem Weg räumen, und bald bedeckten Spinnweben sein Gesicht und sein Haar. Tote Spinnen stießen gegen seine Wangen und Augenlider. Die nicht ganz so toten krochen an seinen Armen hoch und in sein Ohr. Seine eingetütete Hand rutschte nach vorn weg, und er fiel wie ein Pferd auf Eis, mit dem Gesicht in das hart-weiche, tot-lebendige Bett aus Spinnenleibern. Er schrie auf, ließ den Stock fallen und schob sich vorwärts, so schnell er konnte. Der Lichtkreis am Ende wurde größer. Seine nassen Schuhe rutschten nach einem Ansatz suchend weg, seine Hände zermalmten und seine Ärmel wurden durchnässt, doch zuletzt warf er sich aus dem Tunnel.
    Sofort sprang er auf und hüpfte im Kreis umher wie ein tollwütiger Hund, wischte sich wie rasend die Hände an den Jeansbeinen ab und zupfte sich das graue Netz aus dem Gesicht. Seine Lungen brüllten, und sein Kopf schwamm. Sein Magen hob sich wieder, erbrach aber nichts außer salziger Spucke. Sein Herz raste, und Tränen flossen aus seinen Augen.
    » Großer Gott, großer Gott!«
    Er zog Spinnen aus seinem Haar und bürstete sie von seiner Jacke. Einige waren vorn unter seinen Pullover und das T-Shirt gefallen, deshalb riss er sich alles vom Leib und schüttelte die Sachen kräftig aus. Schließlich beendete er seinen tollwütigen Tanz, und sein panisches Hecheln verlangsamte zu einem Keuchen.
    Er war durch.
    Da er das Rohr nun hinter sich gelassen hatte, wurde Nicholas klar, dass er keinen Plan hatte, der über die Durchquerung der Spinnentunnel hinausging. Mangels einer anderen eindeutigen Wahl begann er, dem trockenen Bachbett zu folgen.
    Der Wald war hier sogar noch dichter als auf der anderen Seite des Wasserrohrs. Uralte Bäume standen verschwörerisch beisammen, und ihre dunklen Äste waren so ineinander verwoben, dass man kaum feststellen konnte, wo der eine aufhörte und der andere begann. Kletterpflanzen mit gerippten Stängeln, dick wie Schienbeine, rankten sich um Baumstämme und umeinander. Der Waldboden war eine unruhige See, mit hohen Wellen aus feuchten Wurzeln und Tiefen voller verfaulender Blätter, die so unangenehm und lebhaft wie Menschenschweiß rochen. Der Nebel hob sich, doch hier blieb es abendlich dunkel, und Nicholas sah nicht weiter als fünf Meter voraus, bis Baumstämme und Schlingpflanzen sich zu einem dichten Vorhang vermengten. Kein Wind bewegte das dunkle Blätterdach über ihm.
    Wie sollte er nur das ganze Gebiet erkunden? Was würde er finden? Und wenn er etwas fand, was konnte er dann tun? Hast du eine Kamera mitgenommen? Einen Kompass? Eine Waffe? Nein, nein und nein. Was für ein Idiot. Und dann leuchtete ein Gedanke grell auf, goss Öl in die Wunde seiner Selbstvorwürfe und ließ ihn frösteln: Niemand weiß, dass du hier bist.
    Er bemerkte, dass sich das Bachbett verengte. Er hatte den Eindruck, leicht bergauf zu gehen, aber die krummen Baumstämme, die umgestürzten Bäume, die wie betrunkene Riesen aneinanderlehnten und das dichte Unterholz ließen eine eindeutige Beurteilung nicht zu. Er wusste von der Landkarte, dass er – vorausgesetzt, er ging immer geradeaus – irgendwann auf den Fluss stoßen musste. Er hatte keine Ahnung, ob der ausgetrocknete Wasserlauf gerade verlief, links oder rechts abbog oder wild mäanderte – er strebte unter dunklem Schiefer und runden Wurzelhöckern dahin. War der Fluss also einen halben Kilometer entfernt, oder würde er die nächste Kuppe überqueren und in das braune, kalte Wasser hinunterrutschen?
    Er hatte sich verirrt.
    Was alles noch verschlimmerte, war, dass er Durst hatte und nun, da sich sein Magen von den Schrecken des Tunnels erholt hatte, auch furchtbaren Hunger. Je weiter er stieg, desto spärlicher wurden die Felsen und desto wilder das Unterholz. Halb umgestürzte Bäume waren mit der Zeit mit dichten Vorhängen aus Kletterpflanzen bedeckt worden, so dass sie die Form elefantenartiger Tiere annahmen, gewaltiger vorsintflutlicher Monster mit schimmernden Häuten aus dunkler Jade. Bald krabbelte und kletterte Nicholas auf Händen und Füßen über Schösslinge und umgestürzte, vermodernde Stämme mit altersgrauem Moos. Er schien eine niedrige Kuppe erreicht zu haben und blieb

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