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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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durchsichtigen Plastikfolie. Es sah furchtbar aus, wie ein zerschmetterter Kopf, und in Katharines Gedanken tauchte eine lebhafte Erinnerung an Gavin Boyes zerschossenen Schädel auf, als der Reißverschluss des weißen Plastiksacks über ihm zugezogen wurde. Ja, das Leben war für die Lebenden da, aber die Lebenden starben wieder. Sie schloss die Tür und eilte nach oben.
    Im Haus war es ruhig. Noch vor einer Woche wäre diese Ruhe ein Balsam gewesen, ein Luxus, in dem sie schwelgen konnte, gemütlich die Beine auf dem Sofa anziehen, ein Buch lesen, Muster in ein Skizzenbuch kritzeln, träge auf den Hibiskus vor dem Fenster hinausschauen … Heute aber war diese Stille unheimlich, und das verschwörerische Flüstern des Regens auf dem Dach machte sie nur noch beunruhigender.
    » Suzette?«, rief sie. Einen Moment lang hatte sie das furchtbare Gefühl, ihre Tochter sei unten bei Pamela Ferguson in der Myrtle Street und jeden Moment würde etwas Schlimmes passieren. Dann fiel ihr ein, dass Suzette inzwischen eine erwachsene Frau war. Sie war nicht in Gefahr.
    » Ich bin hier hinten, Mum«, ließ sich Suzettes Stimme aus ihrem alten Kinderzimmer am Ende des Flurs vernehmen.
    Katharine ging nach hinten und sah durch die Tür. Suzette stand über einen offenen, halb gepackten Koffer gebeugt. Es war ein Beweis dafür, wie wirkungsvoll sich die beiden Close-Frauen aus dem Weg gegangen waren. Katharine hatte keine Ahnung davon gehabt, dass ihre Tochter heute nach Sydney zurückflog.
    » Na, schon beinahe fertig?«, fragte sie in leichtem Tonfall.
    » Ja, fast«, erwiderte Suzette. » Ich werde ein Taxi rufen müssen. Schwarzweiß oder Gelb?«
    » Egal. Das ist Jacke wie Hose«, erwiderte Katharine.
    Suzette nickte. Sie hatte es sich schon gedacht.
    » Mit deinem Bruder alles in Ordnung?«, fragte Katharine.
    » Glaub schon. Ein bisschen …« Suzette hörte auf, Sachen zu falten und dachte kurz nach. » Ich glaube, es tut ihm nicht gut, hier zu sein. Ich fliege nach Hause und überrede ihn vielleicht, zu uns runterzuziehen.« Sie fixierte Katharine. » Und dann hole ich dich.«
    » Ich müsste beide Nieren verkaufen, um mir ein Leben in Sydney leisten zu können, und wie würde ich dann dastehen.«
    Suzette zuckte mit den Achseln. » Ich könnte dir unter die Arme greifen.«
    Katharine fühlte Zorn aufsteigen und unterdrückte den hartnäckigen Drang zuzuschnappen. » Danke, meine Liebe, aber mir gehört das Haus hier, und ich komme schon
klar.«
    Suzette lächelte so dünn, als hätte sie erfahren, dass sie eine todsichere Wette gewonnen hatte.
    » Hör zu«, begann Katharine. » Neulich Morgen beim Frühstück …«
    » Schon gut, Mum. Ich mag nur einfach kein Porridge …«
    » Nein, nein. Du hast mich nach … Mrs. Quill gefragt.«
    Katharine sah, wie die Hände ihrer Tochter einen Moment lang mitten in der Bewegung verharrten, ehe sie zu packen fortfuhr.
    » Stimmt«, sagte Suzette.
    » Wieso?«, fragte Katharine und versuchte weiter, einen möglichst unbeschwerten Tonfall beizubehalten. » Wie bist du auf sie gekommen?«
    Suzette legte den Kopf schief. » Ich dachte, du kannst dich nicht an sie erinnern?«
    Katharine zuckte mit den Achseln. » Da du sie nun mal erwähnt hast … ist mir das eine oder andere eingefallen. So eine kleine Alte. Ganz freundlich. Man hat sie kaum einmal außerhalb ihres Ladens gesehen. Ich weiß nicht, wo sie gewohnt hat, aber es kann nicht weit weg gewesen sein.«
    Suzette sah sie durchdringend an. » Wie kommst du darauf?«
    Katharine dachte nach. Ja, wie kam sie eigentlich darauf?
    » Ich habe sie nie in einem Auto fahren sehen. Und ab und zu habe ich sie abends mit ihrem dämlichen kleinen Hund spazieren gehen …«
    Katharine verstummte, als sie Suzettes Gesichtsausdruck sah.
    » Mit ihrem kleinen Hund?«, wiederholte ihre Tochter.
    » Ja, ein … ich weiß nicht … ein Malteser oder so etwas in der Art …«
    Suzette starrte sie an. » Welche Farbe hatte er?«
    Katharine runzelte die Stirn. » Ach, das ist ehrlich gesagt so lange her …«
    » Mum!«
    » Weiß. Aber wieso …?«
    Suzette antwortete nicht. Sie ließ das Kleidungsstück fallen, das sie gerade gefaltet hatte, und hastete an Katharine vorbei.
    Einen Moment später hörte Katharine, wie ein Regenschirm aufgespannt und die Haustür zugeschlagen wurde, und dann eilten die Schritte ihrer Tochter die Straße entlang.

14
    Regen auf den Fenstern verschmierte die Sicht auf die Welt und ließ Autoscheinwerfer größer

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