Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
war schier unerträglich.
Nachdenklich stand Neldo da, dann wandte er sich Arvan zu. » Mal ehrlich, das mit dem Stinkmoos, das warst doch du, oder?«
Arvan lächelte hintergründig. » Ist dein Respekt vor Trobo so groß, dass du dir nicht einmal vorstellen kannst, dass er beim Klettern schlicht und ergreifend die falsche Ranke ergriffen oder sich verschätzt hat?«
Während er dies fragte, blitzte es schelmisch in seinen Augen, doch mehr schien er zu der Angelegenheit nicht sagen zu wollen.
Die Baumschafe des Herdenbaums wieder zusammenzurufen war kein Problem. Zumindest empfand Arvan das als den leichteren Teil ihrer Aufgabe. Der schwere war für ihn der, den Neldo als den leichteren ansah: der Aufstieg auf den Herdenbaum.
Arvan hatte mal wieder das Gefühl, ein vollkommener Tollpatsch zu sein. Wenn er allein war und sich den Herdenbaum hinaufquälte, spielte das keine Rolle, dann war niemand da, dessen Schnelligkeit und Geschick ihm verdeutlichten, wie groß der Unterschied zwischen ihm und den anderen war. Aber nun wurde ihm das mit jeder Bewegung des flinken Neldo und jedem seiner sicheren Griffe schmerzhaft bewusst.
Völlig problemlos kletterte der junge Halbling an dem Stamm mit der großporigen Rinde empor, während Arvan sehr viel länger brauchte und dabei immer wieder nach einer geeigneten Vertiefung suchen musste, um Halt zu finden.
» Wie wär’s, wenn du eine dieser Ranken dazu bringen würdest, dich abzusichern?«, rief Neldo zwischendurch von einer Astgabel weit über ihm herab.
Daran hatte Arvan auch schon gedacht, und wenn er allein war und sich gerade eine geeignete Ranke in der Nähe befand, tat er dies auch häufig. In Neldos Gegenwart wäre es ihm allerdings peinlich gewesen, denn eigentlich hatte er ja demonstrieren wollen, dass er nach seiner schweren Verletzung vollkommen wiederhergestellt war.
Schließlich erreichte auch er die Hauptastgabel des Herdenbaums. Die Baumschafe kamen fast von allein. Er brauchte nichts weiter zu tun, als ihnen einen auffordernden Gedanken zu senden. Irgendwie schienen sie ihn zu mögen. Zumindest empfing Arvan dieses Gefühl oder zumindest etwas, was damit vergleichbar war. Wäre ich eine Woche oder länger fort gewesen, hätte es wahrscheinlich nicht einmal eines Gedankens bedurft, überlegte er. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während sich die ersten Tiere bereits bei ihm einfanden, wobei sie sich mit einer Geschwindigkeit bewegten, die für diese Geschöpfe ungewohnt war. Wenigstens etwas, das ich kann: Baumschafe einsammeln!
Neldo kam von den oberen Verzweigungen zurück, blieb am Ansatz des großen Ost-Astes stehen, klemmte die Daumen hinter den aus der Haut eines Katzenbaums gefertigten Gürtel und beobachtete Arvan eine Weile, wie er mit den Baumschafen umging, wie sie zu ihm kamen und bei ihm blieben, ohne dass er dafür etwas hätte tun müssen.
Später saßen sie an einem Lager zusammen. Die Nordoststürme hatten in der Nähe des großen Ost-Astes einst einen schwachen Trieb abgebrochen, der neben den anderen Ästen ohnehin wie ein Irrtum der Waldgötter gewirkt hatte. Nur ein halblingshüfthoher Stumpf war geblieben, den Arvan zu einem passablen Tisch abgeflacht hatte. Zwar sah das Ergebnis nicht unbedingt so aus, dass ein Halbling-Zimmermann damit auch nur ansatzweise zufrieden gewesen wäre, aber immerhin konnte man einen Krug darauf abstellen, ohne dass er umkippte. Zumindest wenn man vorsichtig war und wusste, an welchen Stellen man den Krug besser nicht absetzte.
An den langen Tagen, die Arvan hier zumeist allein verbracht hatte, war dieser Ort immer so etwas wie der Mittelpunkt von allem gewesen. Er hatte auf dem Aststumpftisch seine Schreibübungen gemacht, die der alte Grebu ihm aufgetragen hatte, weil dieser der Meinung war, dass auch Arvan es mit viel Fleiß eines Tages schaffen könnte, so akkurat wie ein Halbling zu schreiben. » Na ja, vielleicht nicht gut genug, um als Baum-Meister die Listen fortzuführen«, hatte Arvan die einschränkende Bemerkung des alten Grebu noch im Ohr. » Aber immerhin lesbar.«
Arvan packte seinen Proviant aus, und Neldo setzte sich zu ihm. Als ihm Arvan etwas von dem Brot aus Baumgetreide anbot, schüttelte er jedoch den Kopf.
» Hat dir der Geruch des Stinkmooses den Appetit verdorben?«, fragte Arvan.
» Nein, das nicht.«
» Oder die düsteren Nachrichten, die uns seit dem Auftauchen der Orks erreichen.«
» Mit düsteren Nachrichten werden wir noch eine ganze Weile rechnen müssen,
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