Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
für dich, Trobo«, rief Neldo.
Trobo warf ihm einen derart finsteren Blick zu, dass Neldo regelrecht zusammenzuckte. Er wusste, dass man Trobo nicht den Spaß verderben durfte, und genau das hatte er gerade getan.
» Nein, hör es dir ruhig an, Neldo Möchtegern-Held, der immer davon redet, große Abenteuer zu erleben und die Welt sehen zu wollen, und sich in Wahrheit doch kaum aus dem Schatten des eigenen Wohnbaums traut!«
Arvan spürte, dass Neldo innerlich kochte und kurz davor war, den Streit zu verschärfen.
» Lass es, Neldo«, riet er dem Freund. » Er will ja nur, dass du die Fassung verlierst und dich damit zum Gespött seiner Freunde machst.«
» Dich macht er bereits zum Gespött, und du scheinst es nicht einmal zu merken«, erwiderte Neldo leise, aber verärgert.
» Der wahre Grund, aus dem Gomlo nicht dich, Arvan, damit beauftragt hat, im Grenzgebiet nach dem Rechten zu sehen«, fuhr Trobo in seiner Hass- und Spotttirade fort, » ist der, dass er nicht will, dass du und die Söldner des Waldkönigs aneinandergeraten. Vermutlich hat er Angst, du könntest diejenigen munter und in großer Zahl dahinmetzeln, die uns eigentlich beschützen sollen, nur weil sie vielleicht mal einem Baumschaf ein Wollhaar ausgerupft haben!«
Trobo lachte so dröhnend, als wäre sein Brustkorb so groß wie der eines Orks oder doch zumindest eines Menschlings.
» Bis bald, Baumschafhirte«, rief er dann und begab sich ins äußere Geäst, wo er eine Ranke ergriff, um sich damit zu einem der Riesenbäume hinaufzuziehen.
Doch die Ranke wurde plötzlich lang und länger, so als würde sie durch die Zugkraft von Trobos Gewicht von dem hohen Ast herabrollen, von dem sie herunterhing.
Ehe Trobo sichs versah, landete er in einem dunklen, von Fliegen umschwirrten glitschigen Gewächs.
» Stinkmoos«, entfuhr es Neldo.
Stinkmoos wuchs in üppigen Kolonien von mehreren Schritten Durchmesser und verbreitete einen furchtbaren Fäulnisgeruch. Keine Kloake, kein Baumschafdreck und nicht einmal der Mundgeruch eines Orks waren mit dem Gestank vergleichbar, der unmittelbar über der glitschigen, stets feuchten und mit klebrigem Schleim überzogenen Stinkmoosfläche herrschte.
Dicke Fliegen mit grünlich schimmernden Körpern, die durch den Gestank angelockt worden waren, erhoben sich als dichter Schwarm und umschwirrten Trobo, der wild um sich schlug, um sie zu verscheuchen. Er versuchte aufzustehen, rutschte aber aus und fiel mit einem Aufschrei zurück in das Stinkmoos, das einfach zu glitschig war, um darauf gehen zu können.
» Baum-Meister Gomlo gab mir den Rat, den Mund geschlossen zu lassen, wenn ich mal in eine Stinkmoos-Kolonie gerate«, mahnte Arvan.
» Du…«, stieß Trobo wütend hervor und musste sogleich feststellen, wie gut es gewesen wäre, Gomlos Rat zu befolgen.
» Es ist wegen der Fliegen«, sagte Arvan.
Trobo würgte und hustete und keuchte. Mehrere der dicken, ekligen Brummer hatten sich in seinen Mund und seine Kehle verirrt. Es war widerlich. Auf allen vieren kroch er aus dem Stinkmoos, etwas anderes blieb ihm nicht übrig.
Als er sich wieder auf festem Boden befand, war seine Kleidung von oben bis unten mit dem Schleim des Stinkmooses besudelt, an dem wiederum dunkle Erde klebte. Die aufgescheuchten Fliegen umschwirrten ihn noch immer. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, der Blick finster und voller Hass. Er rückte sich Rapier, Waffengurt und Blasrohr nebst Köcher zurecht. Dann roch er am Ärmel seines Wamses.
Der ekelhafte Gestank würde ihm noch eine ganze Weile anhaften. Er war in seine Kleider gezogen, und da er auf allen vieren aus dem Stinkmoos gekrochen war, zumindest an den Händen auch tief in seine Haut. Arvan wusste aus eigener Erfahrung, dass man den Geruch kaum wegwaschen konnte. Er ließ sich allenfalls mit starken Riechsalzen ein wenig überdecken, ansonsten musste man abwarten, dass er sich nach und nach verlor.
Trobo der Gemeine öffnete den Mund und wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort hervor, zu tief war die Erniedrigung, die er erfahren hatte.
So kletterte er den nächsten Baumstamm hinauf und rief seinen unschlüssigen Begleitern zu: » Worauf wartet ihr? Wir haben wenig Zeit, und der Baum-Meister erwartet unsere Rückkehr!«
Ohne Arvan und Neldo noch eines Blickes zu würdigen, schwang sich Trobo an einer Ranke zum nächsten Baum, wo er zwischen den Blättern verschwand. Seine Begleiter hielten auffallend großen Abstand zu ihm. Der Gestank, der von ihm ausging,
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