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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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und willensstärksten Kapitäne dazu verdammte, auf ihren Schiffen bis in alle Ewigkeit im Zeitlosen Nebelmeer umherzuirren.
    Brado hatte das alles für eine erfundene Schauergeschichte gehalten, aber wie die meisten Halblinge ging auch er am liebsten auf Nummer sicher. Und abgesehen davon hatte er noch ein anderes Problem: Seine Floßarche war nach den Aussagen der Seefahrer viel zu groß und plump, um auf dem Meer manövrieren zu können; mit solch einem Gefährt war es nur möglich, sich treibend fortzubewegen, mit ungewissem Ziel.
    Da unterwarf sich Brado das für seine Willensstärke bekannte Riesenkrokodil Ganto, wozu er die Baumsaft-Essenz einsetzte, und brachte es dazu, die Floßarche über den gaanischen Fluss bis in den Langen Fjord zu ziehen. In manchen Versionen der Geschichte sogar ein Stückweit über Land, da die Floßarche zu breit war, um einige engere Flussstellen zu passieren.
    Als die anderen Halblinge sahen, was geschah, fassten einige von ihnen plötzlich Mut und wollten Brado auf seiner Reise begleiten, obwohl sie vorher noch über ihn gelacht hatten. So viele wollten mitkommen, dass schließlich das Los entscheiden musste, wer an Bord durfte und wer nicht.
    Die Arche geriet tatsächlich in das von den Caraboreanern gefürchtete Zeitlose Nebelmeer, doch das Riesenkrokodil Ganto zog die Floßarche über den Ozean, ohne vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen, und schließlich erreichten die Halblinge ein unbekanntes Land. Das Gebiet, in dem sie sich niederließen, nannten sie Osterde, da es von ihrer alten Heimat aus im Osten lag. Jahre vergingen, und die Siedlungen der Halblinge in Osterde gediehen.
    Doch Brado verspürte Heimweh. Er vermisste den Schatten der großen Riesenbäume des Halblingwaldes und bereute mittlerweile seine Reise. Und auch das Riesenkrokodil, das süchtig nach der Magischen Essenz des Baumsaftes geworden war und bereits sämtliche Vorräte aufgebraucht hatte, zog es in die Heimat zurück.
    Nachdem Brado ihm versprochen hatte, es mit magischer Baumsaft-Essenz zu versorgen, sobald sie wieder in Athranor wären, kehrte der » Flüchter aus dem Land seiner Sehnsucht«, wie man ihn von da an nannte, auf Gantos Rücken zum Halblingwald am Langen See zurück.
    Er nahm eine Frau, gründete eine Familie, aus der später ein eigener Stamm wurde, und ließ alle seine Nachkommen schwören, den Wald niemals zu verlassen, denn nirgends auf der Welt sei es besser als im Schatten der Riesenbäume am Langen See.
    » Dass ausgerechnet du den Schwur unseres Stammes brechen willst!« Arvan schüttelte lächelnd den Kopf.
    » Das haben doch schon so viele vor mir getan, Arvan.«
    » Mag sein.«
    » Und abgesehen davon, ereignete sich die Geschichte von Brado dem Flüchter zu einer Zeit, als der Wald noch ein friedlicher Ort war, denn unsere Vorfahren konnten damals noch auf und unter dem Erdboden leben, weil es noch keinen Waldkönig gab, dessen Söldner ihre Kriegselefanten durch das Unterholz trampeln ließen, und auch die Orks trauten sich damals nicht hierher.«
    » Weißt du das so genau?«, fragte Arvan.
    » Man erzählt es so.«
    » Grebu meint, die Legende von Brado dem Flüchter sei einfach nur… eine Geschichte, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Neldo zuckte mit den Schultern. » Solche Ansichten hat er wohl aus seiner Zeit in Carabor. Und vielleicht ist es sogar wahr, und es ist wirklich nur eine Geschichte, die sich alte Halblinge ausgedacht haben, um die Jungen davon abzuhalten, ihr Glück anderswo zu suchen als in diesem Schattenwald voller Baumschafe und Baumgetreide und…«, er zögerte, ehe er weitersprach, » …Schnitzwerkstätten!«
    Letztere waren nämlich genau der Ort, wo Neldo die meiste Zeit verbrachte. Dort lernte er, feinste Reliefs zu schnitzen. Waren diese nach den Regeln der Schnitzkunst gefertigt und die Figuren in der richtigen Weise angeordnet, konnten sie für denjenigen, der vorher etwas von der Magischen Essenz des Baumsaftes genommen hatte, zum Leben erwachen.
    Als Arvan zum ersten Mal eine dieser mit magischen Zeichen versehenen Schnitzereien in den Händen gehalten hatte, war er noch sehr klein gewesen. Das Erlebnis gehörte zu seinen ersten Erinnerungen. Er hatte das Stück Holz mit der geschnitzten Miniaturszene, die unzählige Geschöpfe des Waldes darstellte, in die Hand genommen und sich angeschaut, und obwohl er bis dahin nie auch nur einen einzigen Tropfen der Magischen Essenz zu sich genommen hatte, weil er dazu noch viel zu jung gewesen war,

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