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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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unter meinesgleichen wieder. Es gibt Einzelne in unserem Volk, die versuchen, die Elbenheit aufzurütteln. Einzelne, die sich die Neugier trotz der Last der Jahrtausende bewahrt haben.«
    » Und Ihr seid einer davon?«, fragte Zalea.
    » Ja, und ich bin nicht allein. Und vielleicht könnte dieses Unheil, das uns alle bedroht, für die Elbenheit der Beginn einer neuen Zeit sein, da es uns zwingt, aus unserer Erstarrung und Selbstbezogenheit zu erwachen.«
    Plötzlich ging ein Ruck durch Lirandil. Er hörte abrupt zu sprechen auf, obwohl es den Anschein hatte, als habe er noch etwas sagen wollen. Offenbar hatte er aus dem Zusammenklang der unterschiedlichsten Geräusche irgendetwas herausgehört, was ihn beunruhigte.
    Arvan konzentrierte sich auf die Rankpflanzen in seiner Umgebung. Vielleicht hatten sie ebenfalls etwas gespürt, und womöglich brauchte er sie als Verbündete, wenn es zum Kampf kam.
    Allerdings hatte er schon während des Weges festgestellt, dass ihm die Ranken in dieser Gegend nicht so gut gehorchten wie rund um Gomlos Baum und den Herdenbaum, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte. Ihm war auch schon früher aufgefallen, dass der Einfluss, den er auf Pflanzen hatte, schwächer wurde, wenn er sich von seiner unmittelbaren Heimat entfernte. Anscheinend mussten sich Ranken in fremden Gebieten erst an seine geistige Einflussnahme gewöhnen.
    Es war wie mit den Baumschafen. Manchmal wurden fremde Tiere in eine Herde genommen, damit die Nachkommenschaft widerstandsfähiger wurde, und Arvan hatte die Erfahrung gemacht, dass diese Tiere ihm erst nach einer Weile so folgten, wie er das von den anderen gewohnt war.
    Ich werde mich auf diese Kräfte wohl immer weniger verlassen können, je weiter ich mich von Gomlos Baum entferne.
    Das war eigentlich etwas, womit er hätte rechnen müssen, und so hätte er nicht überrascht sein dürfen. Und doch war es ihm in dieser Deutlichkeit bisher nicht klar gewesen. Vor allem beunruhigte es ihn, dass sich dieses Phänomen bereits nach einer vergleichsweise kleinen Wegstrecke so deutlich zeigte. Eine Tagesreise zu Fuß über den Waldboden, was war das schon?
    Ein Katzensprung, sagte man auf Relinga.
    Neldo griff zu seinem Rapier, das er so wie seine Schleuder und ausreichend Munition und ein Langmesser am Gürtel trug. Zalea war ähnlich bewaffnet. Doch Lirandil bedeutete beiden mit einem Blick, sich nicht zu rühren und die Waffen zunächst stecken zu lassen.
    Arvan ließ daher auch Beschützer in der Lederscheide neben sich liegen. Stattdessen lauschte er angestrengt. Aber das, was der Elb vielleicht bemerkt haben mochte, war für ihn nicht zu hören.
    Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Vielleicht kam es viel mehr auf das an, was man nicht hörte.
    Der Katzenbaum bewegte sich nicht mehr. Er war vollkommen still geworden und hatte sogar die Färbung seines Fells verändert, sodass man entweder die Augen eines Elben haben musste oder viel Erfahrung brauchte, um in ihm mehr als einen gewöhnlichen Baum zu sehen. Das Fell, das ihn vollkommen bedeckte, war nicht mehr zu erkennen und wirkte schon aus einer Entfernung von mehr als ein paar Schritten wie die Borke eines der unzähligen kleineren Bäume oder der baumähnlichen Gewächse, die zwischen den mächtigen Stämmen ihrer riesenhaften Verwandten das Unterholz bildeten. Der Katzenbaum hoffte offenbar auf Beute.
    Plötzlich schnellte ein Schatten durch die Luft.
    Breite Schwingen waren als dunkle Umrisse zu sehen– so groß wie die Segel der Schiffe, die den Langen See befuhren.
    Ein Schattenrabe, erkannte Arvan sofort.
    Diese großen Vögel waren selten geworden, seit die Söldner des Waldkönigs sie jagten, weil sie ihren dunklen Riesenfedern magische Kräfte zumaßen. Sie hatten entfernte Ähnlichkeit mit anderen Rabenvögeln, und der große Schatten, den ihre Flügel warfen, verlieh ihnen den Namen.
    Noch ehe irgendeiner der anderen sich rühren konnte, war Lirandil auf die Beine geschnellt. Sein Schwert wirbelte empor. Das geflügelte Monstrum stürzte sich mit seinen Klauen auf ihn und versuchte ihn zwischen seinen messerscharfen Schnabelkanten zu packen und zu zermalmen, doch der Elb wich blitzschnell aus. Gleichzeitig führte er einen Schwertstreich mit so unglaublicher Präzision, wie man sie nur von einem Elben erwarten konnte. Sein Schwert fuhr durch den Hals des Schattenraben, sodass die Adern aufgerissen wurden, die Klinge sich aber nicht in den Wirbeln festhakte. Blut spritzte,

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