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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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während das Tier einen gurgelnden Laut ausstieß. Lirandils Klinge fuhr erneut blitzschnell durch die Luft, diesmal vertikal wie ein Henkersbeil, und hieb dem zur Seite taumelnden Vogel den Kopf ab. Der rutschte über den nahen Rand der Hauptastgabel und fiel in die Tiefe.
    Daraufhin erwachte der Katzenbaum aus seiner Erstarrung. Er beugte sich nieder und streckte die Greifäste aus, die den Vogelkopf gerade noch erreichten. Er bekam ihn zu fassen und ließ ihn mitsamt dem Schnabel in seinem gewaltigen Rachen verschwinden. Es knackte und zischte, und der scharfe Geruch der Verdauungssäfte des Katzenbaums verbreitete sich in der Umgebung auf fast schon unerträgliche Weise.
    Aus dem Halsstumpf des zusammenbrechenden Vogels schoss zuerst Blut, das sich aber im nächsten Augenblick in eine dunkle, vollkommen schwarze gasförmige Substanz verwandelte. Wie Nebel schwebte sie über dem Kadaver des Schattenraben, und ein empörter, wütender Laut drang aus der dunklen Wolke. Arvan glaubte für einen Moment sogar, darin ein paar Augen auszumachen, die weiß leuchteten, aber Pupillen aus purer Finsternis hatten.
    Neldo und Zalea waren längst auf den Beinen, und auch Arvan war aufgesprungen und hatte Beschützer aus der Scheide gerissen, obwohl er nicht glaubte, dass sein Schwert gegen diese Art von Gegner etwas auszurichten vermochte.
    » Ein Dämon«, entfuhr es Neldo. » Er muss von dem Vogel Besitz ergriffen haben.«
    Lirandil blieb bemerkenswert ruhig. Er murmelte eine Formel in der Sprache der Elben, dann schnellte er vor und stach mit dem Schwert nach dem formlosen, scheinbar aus reiner Finsternis bestehenden Dämon.
    In dem Moment, als die Klinge in das rauchähnliche Etwas stieß, blitzte es, und Lirandil schrie auf. Bläuliches Licht umflorte sowohl sein Schwert als auch ihn selbst.
    Aber auch der Dämon stöhnte auf, so als empfinde er einen heftigen Schmerz. Der dunkle Rauch stieg schnell hinauf in das hohe Geäst des Baumes und schien sich dort zu verflüchtigen, jedenfalls war im nächsten Moment nichts mehr von ihm zu sehen.
    Arvan ließ den Blick schweifen, aber es war nicht feststellbar, wohin das Wesen entschwunden war. Da sah er plötzlich eine armgroße Flugratte von einem der hohen Äste springen. Diese Tiere konnten nicht wirklich fliegen, aber zwischen ihren Gliedmaßen spannten sich ledrige Flughäute, die es ihnen erlaubten, sehr weite Sprünge zu machen. Normalerweise waren sie harmlos. Sie hatten scharfe Zähne und Krallen, aber sie jagten zumeist nur kleinere Tiere. Hin und wieder hatte Arvan erlebt, wie sie zu mehreren versucht hatten, ein Baumschaf zu reißen, aber für gewöhnlich wagten sie auch das nicht, wenn ein Hirte in der Nähe war. Ihre Furch t vo r allen aufrecht gehenden Wesen war zu stark ausgeprägt.
    Doch diese Flugratte schien keine Furcht zu kennen.
    » Vorsicht!«, rief Arvan, der nach dem Tier schlagen wollte, während Lirandil herumschwang. Offenbar hatte er die Flugratte bereits bemerkt.
    Doch bevor das Geschöpf sein Opfer überhaupt erreichen und seine Zähne und Klauen in den Körper des Elben hätte schlagen können, wurde es von einem Pfeil durchbohrt. Schreiend wurde die Flugratte aus ihrer Bahn geworfen, während bereits ein zweiter Pfeil dicht an Arvans Gesicht vorbeipfiff, der den Körper der Flugratte förmlich an den Stamm des Riesenbaums nagelte.
    Feinste rußähnliche Teilchen quollen aus Nase, Mund, Augen und Ohren des Tieres und bildeten eine kleine Wolke, die sich innerhalb von Augenblicken verflüchtigte, wobei ein dröhnender Laut zu hören war.
    Lirandil murmelte eine Formel und streckte dabei die Hand aus, so als wolle er einen für alle anderen unsichtbaren Gegner abwehren.
    Arvan sah sich suchend um. Woher waren die Pfeile gekommen? Er konnte niemanden sehen, allerdings erkannte er sofort, wessen Pfeile es waren.
    » Borro!«, rief er.
    Borro hatte sich im Geäst eines benachbarten Baums so geschickt getarnt, dass er zunächst nicht zu sehen war. Erst als er sich bewegte, war er auszumachen.
    » Ich bin gleich bei euch«, rief er und begann zu klettern.
    Eine tiefe Furche hatte sich auf Lirandils sonst so glatter Stirn gebildet. In der einen Hand das Schwert, die andere ausgestreckt und mit der Innenfläche nach außen gerichtet, stand er da und ließ langsam den Blick durch das dichte Blätterwerk schweifen.
    Offenbar ging er davon aus, dass der Dämon von einem weiteren Geschöpf Besitz ergriffen hatte, das dort irgendwo lauerte. Dann stob plötzlich

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