Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
hatte auch Nathan den Weg zum Restaurant gefunden. Denn Alexanders erstes Konzert, wenn auch nur in einem ungezwungenen Rahmen einer Restaurantatmosphäre, wollte er sich nicht entgehen lassen. Gebannt schaute er auf Alexander, der sich ans Klavier setzte und zu spielen anfing. Es war ein so gefühlvolles Spiel, dass manche Gäste vor Rührung Tränen in den Augen hatten. Nach dem ersten Part, als sich Alexander von seinem Klavierstuhl erhob und fast ein bisschen abwesend wirkte, standen alle Gäste auf und zollten ihmfrenetischen Beifall. Alexander, der das nicht kannte, blickte ganz verlegen zu seiner Mama, die ihm zustimmend zunickte und dabei lächelte.
Der Professor sagte zu Carsten, der am gleichen Tisch saß: “Unglaublich. Der Kleine ist ein Genie. Er spielt nicht nur Mozart, er ist Mozart. Woher hat der Junge das? Woher weiß er das alles?”
“Ja, das habe ich mich auch gefragt. Der Junge selbst sagt, er erhielte alles Wissenswerte im Zwiegespräch mit einem ‘Gottlieb’, den niemand wirklich kennt.”
“Gottlieb?”, überlegte der Professor. “Hat Gottlieb auch einen Nachnamen?”
“Ich weiß es nicht.”
“Weiß man, wo dieser Gottlieb wohnt? In der Regel kenne ich doch gute Musiker, aber der Name sagt mir gar nichts.”
“Dieser Gottlieb scheint nicht real zu sein. Er spricht zu Alexander wie eine Intuition.”
“Ach herrje”, sagte der Professor den Kopf hin und her wiegend. Nach einer Weile fragte er nach Alexanders Herkunft. Als er erfuhr, dass die Kellnerin die Mutter war, stutzte er wieder. “Und der Vater?”, fragte er.
“Alexanders Vater starb durch einen Unfall einen Tag vor seiner Geburt. Der Restaurantbesitzer Joey und sein Freund Thomy, der Koch, haben sich Alexander an Vaters Statt angenommen. Das war Alexanders großes Glück, denn den beiden ist sehr viel an dem Jungengelegen. Sie fördern und unterstützen ihn auch entsprechend.”
“Ich möchte den Jungen kennenlernen. Können Sie, Carsten, bitte seine Mutter fragen, ob sie ihn nächste Woche, sagen wir Mittwochnachmittag, zu mir bringen dürfen? Ich möchte den Jungen gerne testen. Der muss weiter gefördert werden.” Carsten nickte eifrig. Genau das wollte er, dass sich der Professor für den Jungen interessierte und sich dessen annahm.
Auch der zweite Teil der Vorstellung war ein Genuss höchster Klasse. Die Gäste waren außer sich vor Begeisterung. Hannah stand bei Nathan. Er lächelte: “Dein Sohn ist ein Genie. Das Wunderbare an der ganzen Sache ist, dass er so natürlich ist. Er gibt sich als ganz normales Kind, als wäre sein Talent eine ganz alltägliche Sache. Pass gut auf ihn auf, Hannah!”
“Gibt es wieder einmal etwas, das ich wissen müsste?”, fragte Hannah schelmisch, dennoch mit einer Spur von Misstrauen, denn jetzt war die Aussage ganz klar: ‘pass gut auf ihn auf!’ Er lächelte: “Nein keine Hiobsbotschaft. Bitte, Hannah, sei nicht so misstrauisch bei jeder Äußerung von mir.”
“Na ja, Nathan, ich bin halt ein gebranntes Kind”, sagte sie mit einer Spur neckischen Humors.
Er streichelte nur ihre Hand und lächelte gütig.
Nachdem Alexander einige Zugaben spielte, trat Joey ans Mikrophon und verkündete: “Sehr verehrte Gäste.Sie hatten heute Abend die Gelegenheit ein außergewöhnliches Talent live zu erleben. Alexander Villamonti, erst sechs Jahre alt, und ein vielversprechender Stern am hehren Musikfirmament, hat für sie heute erstmals Mozart interpretiert, wie es einfühlsamer wohl nicht geht. Leider muss sich der kleine Mann jetzt von Ihnen verabschieden, denn es ist spät und unter normalen Umständen wäre er um diese Zeit schon längst im Land der Träume.” Nochmals erhob sich ein tosender Applaus und dann verließ Alexander klein und unscheinbar an der Hand seiner Mutter das Restaurant.
*
Nachdem sie Alexander in sein Bett gebracht hatte, setzte sich Hannah noch ein bisschen bei leiser Musik ins Wohnzimmer und ließ den Abend aber auch die vergangene Woche Revue passieren. Es geschah so viel und alles war für Alexander so einschneidend gewaltig. Er wurde eingeschult, hatte die erste Schulwoche hinter sich gebracht … und er war ein Genie, das war offenkundig. Was musste in diesem Kind vorgehen. Alexander war noch so klein. Er war still, schüchtern und noch so unverdorben.
Tatjana, seine Banknachbarin erzählte ihm, dass ihr Papa ein Tierarzt sei und als sie ihn fragte, was denn sein Vater mache, antwortete Alexander in seiner kindlichen Unschuld, dass der
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