Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
vorzustellen. Alexander hingegen war so vertieft in sein Spiel, dass er die Welt um sich herum vergaß.
Hannah wusste längst, dass ihr Sohn anders war als andere Kinder und es graute ihr schon jetzt vor dem Gedanken an Alexanders Einschulung in vierzehn Tagen. Alexander konnte mittlerweile so gut lesen, dass er mühelos seine Bücher las. Die Grundrechenartenbereiteten ihm längst keine Mühe mehr. Er würde sich hoffnungslos langweilen. Auf der anderen Seite hätte sie es natürlich gerne gesehen, wenn er auch mal mit Kindern zusammenkam. Es konnte doch auf Dauer nicht gut sein, wenn er nur von Erwachsenen umgeben war.
Anfang September war es soweit. Alexander fand sich zusammen mit seiner Mutter in der Grundschule Garching Ost am Prof.-Angermair-Ring ein. Es war ein richtiges Gewusel. Einige der ABC-Schützen schauten etwas unsicher und aufgeregt in die Runde, während andere, die sich hier schon als die späteren Wortführer herauskristallisierten, sich gleich einmal wortstark in Szene setzten. Alexander beobachtete nur. Ihm war das zu viel der Aufregung. Allmählich versammelten sich alle Kinder mit ihren Eltern in der Aula, wo eine kleine Zeremonie die Schulanfänger in diesen neuen wichtigen Lebensabschnitt einführen sollte. Die Kinder wurden in drei Klassen aufgeteilt. Man richtete sich ein bisschen danach, was die Kinder als Voraussetzung mitbrachten. Die Kinder, die schon etwas lesen konnten und auch sonst etwas weiter zu sein schienen, wurden der Klasse la zugeteilt. Die anderen Kinder wurden gleichmäßig auf die Klassen lb und lc aufgeteilt. Alexander war also nun Grundschüler der Klasse la und mit ihm auch Tatjana, ein schüchternes zierliches Mädchen, mit der sich Alexander gleich anfreundete. Die Klassen 2a bis2c sangen zusammen ein Lied für die Neuen, tja und das war dann der erste Schultag.
Alexander drängte nach dem Anlass gleich nach Hause, denn er wollte noch auf dem Klavier spielen, bevor das Restaurant öffnete.
Mittlerweile veranstaltete Joey in seinem Restaurant musikalische Anlässe als besondere Darbietung für seine Gäste. Carsten spielte also nicht nur an bestimmten Abenden Backgroundmusic, sondern er gab einmal im Monat richtige kleine Konzerte.
Joey, der die Veranstaltungen in seinem Restaurant immer im Münchner Wochenanzeiger und auf einer Tafel am Eingang des Restaurants ankündigte, hatte für kommenden Freitag einen zweiten ganz besonderen Programmpunkt vorgesehen. Die neuesten Ankündigungen lasen sich wie folgt:
Mittwoch 11. September 1996
Jazzabend für alle Freunde des New-Orleans-Jazz
Carsten Wulff interpretiert mit viel Gefühl traditionelles New Orleans Piano
Freitag 13. September 1996
Klassik für alle Mozart-Liebhaber
Der 6jährige Alexander Villamonti , ein begabter Piano-Virtuose entführt Sie erstmals öffentlich zu einem Streifzug durch Mozarts Klavierkonzerte.
Von den musikalischen Veranstaltungen versprach sich Joey sehr viel. Sie waren bisher immer sehr erfolgreich. Die Leute kamen gern, um Carsten, der ein großes breitgefächertes Talent besaß, zuzuhören. Doch ganz besonders setzte er auf die Freitagsveranstaltung mit der Ankündigung eines Sechsjährigen am Klavier. Das würde die Leute neugierig machen und das Restaurant würde bis zum letzten Platz gefüllt sein.
Carsten, der seinen kleinen Schüler seinem Professor Dr. Ralph Haas gerne vorgestellt hätte, schwärmte von diesem begabten Jungen in den allerhöchsten Tönen vor und lud den Professor ein, sich beim Freitagsanlass in Garching selbst davon zu überzeugen. Mit der Bemerkung, “Na, dann bin ich aber mal gespannt”, nahm dieser die Einladung gerne an.
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Der Freitaganlass war ein riesiger Erfolg. Nachdem der größte Teil der Gäste gegessen hatte, kündigte Joey Alexander laut an und als dieser mit T-Shirt und Jeans schüchtern das Lokal betrat, ertönte lauter Beifall. Dann wurde es mit einem Mal ganz still. Viele kannten den Knaben mit den dunkelbraunen Haaren und den braunen Augen, denn er gehörte zum Restaurant wie Joey, Thomas und natürlich auch seine Mama, die Kellnerin. Andere, die Alexander nicht kannten waren neugierig und beobachteten ihn aufmerksam. Eine Frau beugte sich zu ihrer Tischnachbarin hinüber und fragte: “Wer ist dieser hübsche Junge?” Die Angefragte deutete zu Hannah, die zwei Tische weiter stand und den Gästen dort Getränke hinstellte, und sagte: “Er ist der Sohn der Kellnerin. Er muss ein Wunderknabe sein, habe ich gehört.”
Selbstredend
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