Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
eine Papa ein Restaurant führe und der andere in diesem Restaurant Koch sei.Tatjana lächelte und sagte: “Das geht doch gar nicht. Jeder Mensch hat nur einen Papa.”
“Nun, ich habe zwei. Du siehst also, es geht”, gab er zurück, um seine Verlegenheit zu überspielen.
Als er dann nach Hause kam und seiner Mutter von diesem Gespräch berichtete, erzählte Hannah Alexander erstmals von seinem Vater, der wie sie ihm erklärte, jetzt oben im Himmel wohne und liebevoll auf ihn hinabschaue. Dass diese Nachricht an diesem sensiblen Kind, das Alexander nun mal war, nicht spurlos vorübergehen würde, war abzusehen. Sein Gesicht verdüsterte sich und er schien sehr bedrückt. Dann wollte er eine Fotographie sehen. Als Hannah ihm ein Bild gab, schaute er es lange an, als wolle er sich das Gesicht für immer einprägen. Dann blickte er zu Hannah und sagte: “Er sieht lieb aus.”
“Ja, mein Liebling”, sagte sie und legte den Arm um ihn, “das war er, sehr lieb.” Alexander wollte das Bild natürlich behalten.
“Aber Mama, warum habe ich jetzt zwei Väter?”, interessierte es ihn nun doch noch.
“Weißt du Schatz, Joey und Thomy sind ganz liebe Freunde, die mir sehr geholfen haben, als es mir ziemlich schlecht ging. Sie waren für uns beide da, wie in einer Familie, wo eben jeder für den anderen da ist. Anstelle deines Papas haben sie die Patenschaft für dichübernommen. Sie haben dich sehr lieb und würden für dich, wie es dein Papa auch getan hätte, alles tun.”
Alexander kuschelte sich näher an seine Mama und beteuerte in seiner kindlichen Art, dass er die beiden auch ganz fest lieb habe und natürlich ganz besonders seine Mama.
Ansonsten erzählte Alexander von der Schule nichts. Sie schien ihm nicht so wichtig zu sein, wie für die anderen Kinder. Es interessierte ihn nur eines, sobald er von der Schule nach Hause kam, wollte er Klavier spielen. Und so fieberte er dem Konzert entgegen. Jetzt nach dem Konzert war er über den frenetischen Applaus beeindruckt. Die Leute standen sogar auf und alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Das war sehr ungewohnt und überwältigend für ihn. Hannah hatte das Gefühl, dass er am Ende dann doch froh war, das Restaurant verlassen zu können.
*
Bevor sich Hannah zum Schlafen legte, ging sie nochmals zum Kinderbett, das jetzt an der Stelle Platz fand, wo früher die Wickelkommode stand, und betrachtete das tief schlafende entspannte Kind.
Der nächste Tag verlief im Restaurant relativ ruhig, so dass die Arbeit gemütlich vonstatten gehen konnte. Das war ganz gut so, denn für den Sonntag war eine geschlossene Gesellschaft, ein Familienanlass angesagt, der mit den 120 gemeldeten Gästen recht beachtlichwar. Joey hat mittlerweile drei zusätzliche Damen eingestellt, denn die Arbeit war längst nicht mehr von einer Person zu bewältigen. Eine vierte Dame stellte sich auf Abruf zur Verfügung.
Alexander war es gewohnt, dass sich die Wochenenden bei ihm nicht so abspielten, wie bei seinen Klassenkameraden, deren Familie am Wochenende vollzählig war und meist zusammen etwas unternahm. Doch ihn störte es nicht. Er saß, wenn seine Mutter arbeitete, dann meist oben im Wohnzimmer und spielte auf seinem Keyboard, das die beiden Paten ihm zu seinem sechsten Geburtstag schenkten. Manchmal las er einfach oder malte Bilder. Er konnte sich sehr gut selbst beschäftigen und er klagte nie über Langeweile. Doch an diesem Sonntag hatte er zu nichts Lust. Er klagte schon am Morgen über Unwohlsein und es war ihm gar nicht danach aufzustehen.
“Was ist denn Alexander? Tut dir denn etwas weh?”
“Ja Mama, hier tut es mir weh”, jammerte er und zeigte auf seinen Hals. Tatsächlich, die Lymphknoten schienen leicht geschwollen. Sie fasste ihm an die Stirn. Er schien Fieber zu haben.
“Ich würde sagten, du bleibst heute im Bett. Ich bringe dir dein Frühstück, ja.”
“Ich mag nichts essen.”
“Ein Kakao vielleicht?” Zuerst zuckte er mit den Schultern, dann nickte er zustimmend. Bis Hannah jedoch mitdem heißen Kakao an sein Bett kam, schlief er schon wieder. ‘Er wird sich jetzt gesund schlafen’, dachte Hannah und erledigte ein paar Dinge. Nach einer Stunde, als Alexander immer noch schlief, war Hannah beunruhigt und sah erneut nach ihm. Das Fieber schien angestiegen zu sein, sein Haar klebte nass an seinem fiebergeröteten Gesicht. Er schlief sehr unruhig. Sie maß seine Temperatur und erschrak, als sie sah, dass das Quecksilber an die 40°-Marke reichte. Er
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