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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Bruder Sean. Einen feinen jungen Mann, der nie einen Fehler gemacht hat. Warum ignoriert ihr mich nicht einfach und lasst mich mit meinem Leben weitermachen?«
    »Oh nein. Ich glaube nicht, dass wir das können. Jetzt nicht.«
    »Wie meint ihr das, jetzt nicht?«
    »Prophezeiungen werden nicht einfach von selbst wahr, verstehst du? Sie brauchen ein wenig Hilfe.« Er warf mir einen tückischen Blick zu, einen Seitenblick aus seinen glühenden Augen. »Wir hatten auf Kinder gehofft. Ich sage dir eins. Wir haben nicht mit dir gerechnet.«
    Ich dachte an die Worte meiner Mutter und dass ich sie alle überrascht hatte – das unerwartete Zwillingskind. Dass es mir die Macht gab, Dinge zu verändern.
    »Ich habe eine Frage«, sagte ich.
    Sie warteten.
    »Warum hast du mich dazu geführt, meine Schwester und … ihren Geliebten zu entdecken, damals im Wald? Sie haben sie weggeschickt, und sie war unglücklich. Ciarán ebenfalls. Alle in der Familie waren gegeneinander aufgebracht und bekümmert. Warum habt ihr das getan?«
    Schweigen. Er sah sie an und sie ihn.
    »Das alte Böse ist immer noch wach«, sagte die Herrin schließlich, und ein Schatten lag in ihrer Stimme. »Wir müssen alle Kraft, die wir haben, benutzen, um es aufzuhalten. Was wir getan haben, war zum Besten. Was deine Schwester wollte, konnte nicht sein. Diese Männer und Frauen mit ihren kleinlichen Kümmernissen sind unwichtig. Sie dienen ihrem eigenen Zweck, das ist alles. Nur das Kind ist wichtig.«
    »Das alte Böse?«, fragte ich durch zusammengebissene Zähne. Vielleicht begriff sie nicht, wie zornig ihre Worte mit ihrer grausamen Verachtung des Leidens meiner Mitmenschen mich gemacht hatten.
    »Es ist zurückgekehrt«, erklärte sie feierlich und sah mich aus dunkelblauen Augen an. »Wir glaubten es besiegt, aber wir haben uns geirrt. Nun stehen wir alle dem Ende gegenüber, man bedrängt uns heftiger und heftiger, und ohne das Kind werden wir uns nicht darüber hinwegsetzen können. Du musst nach Hause zurückkehren, Liadan. Sofort. Dieses Zwischenspiel ist vorüber.«
    »Das weiß ich«, sagte ich und war verärgert, die Tränen in meinen Augen brennen zu spüren. »Ich habe euch doch gesagt, dass ich auf dem Weg dorthin bin.«
    Der Begleiter der Herrin räusperte sich. »Es gibt zwei junge Männer, die dich begehren: der, den du gerade verlässt, und der, zu dem du zurückkehrst. Keiner ist angemessen. Du legst in deiner Wahl eines Gefährten einen bedauerlichen Mangel an Geschmack an den Tag. Dennoch, du brauchst nicht zu heiraten. Vergiss sie beide. Kehre in den Wald zurück und bleibe dort.«
    Ich starrte ihn an. »Es wäre eine Hilfe, wenn ihr etwas mehr erklären könntet. Welches Böse? Welches Ziel?«
    »Die von deiner Art verstehen es nicht«, tat er meine Fragen ab. »Euer Begriffsvermögen ist eingeschränkt. Du musst lernen, die Bedürfnisse des Fleisches und die Schmerzen des Herzens zu missachten. Das sind kleinliche Dinge, so flüchtig wie die Jugend. Es ist das große Ganze, das zählt.«
    »Ihr beleidigt mich«, sagte ich, »und dann erwartet ihr blinden Gehorsam.«
    »Und du verschwendest Zeit, wo keine verschwendet werden darf.« Seine Stimme klang nun bedrohlich. »Du fauchst wie ein kleines, wildes Tier, das in der Falle sitzt. Du solltest lieber deine Schwäche erkennen und dich fügen. Wir können dir helfen. Wir können dich schützen. Aber nicht, wenn du diesem eigensinnigen Weg folgst. In dieser Richtung liegen Gefahren, von denen du dir kaum träumen ließest.« Er hob die Hand, bewegte sie in einem lang gezogenen Bogen vor sich, und es schien mir, als bewegte sich dort ein Schatten; das Gras duckte sich, Bäume schauderten, Büsche raschelten. Vögel stießen einen einzigen Ruf aus, dann schwiegen sie.
    »Wieder stehen wir einer Feindin gegenüber, die uns schon lange bedroht«, sagte die Herrin. »Wir hielten sie für besiegt. Aber sie hat einen Weg gefunden, sich wieder einzuschleichen; sie hat sowohl die Feen als auch die Menschen umgangen, und nun hat sie die ganze Zukunft unseres Volkes in der Hand.«
    Ich starrte sie entsetzt an. »Aber … aber ich bin nur eine ganz normale Frau, wie ihr seht. Wie kann die Wahl, die ich treffe, einen Einfluss auf so große, gefährliche Dinge haben? Warum muss ich unbedingt versprechen, nach Sevenwaters zurückzukehren?«
    Er seufzte. »Wie ich schon sagte, das begreifst du nicht. Ich sehe keinen Grund für dein Widerstreben, wenn man von reiner Sturheit absieht. Du musst tun,

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