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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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was wir dir sagen.«
    Er schien zu wachsen, während ich hinsah, und flackerndes Licht lief über seinen Körper, als stünde er in Flammen. Sein Blick war durchdringend, er sah mich gnadenlos an, und mein Herz pochte vor Schmerzen.
    Die Herrin sprach mit leiser Stimme, aber in ihrem Ton lag ein Kern von Eisen. »Sei nicht ungehorsam, Liadan. Dies zu tun würde größere Gefahr heraufbeschwören, als du verstehen kannst.«
    »Versprich es«, sagte der Herr, und sein Haar schien sich wie eine Krone flackernden Feuers um seinen Kopf zu heben.
    »Versprich es«, wiederholte die Herrin mit einer Trauer in ihrer Stimme, die mir das Herz zerriss.
    Ich drückte die Knie in die Flanken der grauen Stute, und sie bewegte sich vorwärts, und diesmal ritten sie nicht mit mir, sondern blieben zurück. Ihre Stimmen folgten mir befehlend, bittend. Versprich es, versprich es.
    »Das kann ich nicht«, flüsterte ich, und dieses Flüstern kam tief aus meinem Inneren. Es war seltsam, denn bis dahin hatte ich vorgehabt, genau das zu tun, was sie wollten: nach Sevenwaters zurückzukehren, dort mein altes Leben wieder zu beginnen und mein Bestes zu tun, den Bemalten Mann und seine Bande zu vergessen. Aber etwas hatte sich verändert. Ich würde Geschöpfen, die den Schmerz jener, die mir nahe standen, als Kleinigkeit abtaten, nicht ohne weitere Fragen gehorchen. Irgendwie wusste ich, dass ich ihren Forderungen nicht zustimmen konnte. »Ich muss meine eigenen Entscheidungen treffen und meinen eigenen Weg gehen«, sagte ich. »Ich werde jetzt tatsächlich nach Sevenwaters zurückkehren, und ich sehe keinen Grund, wieso ich nicht dort bleiben sollte. Aber die Zukunft – die ist mir unbekannt; wer weiß schon, was geschehen wird? Ich werde euch nichts versprechen.«
    Wieder erklangen ihre Stimmen mit einer zornigen Kraft, die mich schaudern ließ. Auch die Stute spürte es, sie zitterte unter mir. Du wirst tun, was wir dir befehlen, Liadan. In der Tat musst du es tun. Aber ich antwortete nicht, und als ich mich das nächste Mal umdrehte, waren sie verschwunden.
    Es war später Nachmittag, die Abenddämmerung hatte schon fast begonnen. Ich hatte die Straße erreicht und folgte ihr nach Süden, als die Sonne mit leuchtenden Gold- und Rosatönen unterging. Wie war das alte Sprichwort? Abendrot, gut Wetter droht. Morgenrot, schlecht Wetter droht. Ich lächelte in mich hinein. Kein Zweifel, wo ich das gehört hatte. Mein Vater, der mich in den Armen hochhielt, als er auf einer Hügelkuppe stand, umgeben von seinen jungen Eichensetzlingen, und mir zeigte, wie die Sonne im Westen unterging, über dem Land von Tir Nan'Og über der See. Jeden Abend ging sie unter, und der Himmel erzählte vom nächsten Tag. Lerne die Zeichen zu lesen, Kleines, sagte er mir. Das Feenvolk hatte ihn als Vater eines Kindes erwählt, dessen Geburt sie benötigten; sie hatten ihn wegen seiner Kraft und seiner Geduld auserwählt. Das bedeutete doch sicher, dass Bran sich geirrt hatte. Iubdan, so still und weise mit seinem Respekt vor allem, was lebte und wuchs, hätte nie etwas tun können, das die ganze Existenz eines Mannes zerstörte.
    Die Stute wieherte leise und blieb plötzlich stehen. Vor uns auf der Straße war es unruhig. Männerstimmen, Hufschlag, metallisches Klirren. Wir zogen uns in den Schutz der Bäume zurück, und ich stieg im Schatten aus dem Sattel. Die Geräusche kamen näher. Im schwindenden Licht konnte ich vier oder fünf Männer im dunklen Grün erkennen, und einen, der seltsame Gewänder aus Leder und Wolfsfell trug, einen Mann mit halb rasiertem Kopf, der kämpfte wie ein Wahnsinniger, so dass man manchmal glaubte, er könnte sie tatsächlich besiegen, obwohl sie in der Überzahl waren. Ein Mann, dessen Größe und massiver Körperbau ihm einen Vorteil gaben, aber nicht so viel, dass er nicht am Ende doch vom Pferd geworfen und entwaffnet der Gnade seiner Feinde ausgeliefert war. Höhnische Schreie erklangen und Flüche und trotzige Worte. Ich hörte Knurren und Zischen und Schimpfen, und jemand schrie etwas über Vergeltung, und dann folgten weitere Schreie, als die Waffen ihr Ziel fanden. Aber schließlich herrschte beinahe Schweigen, wenn man von dem Geräusch von Tritten und Schlägen absah, die auf den Mann niederregneten, der auf der Straße lag, umgeben von seinen Angreifern. Ich konnte nichts tun. Wie hätte ich versuchen können, diese barbarische Tat zu verhindern, ohne gleichzeitig zu verraten, wo ich gewesen war? Welchen Grund hätte

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