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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ein braves Mädchen wie ich, einen Schurken, einen Gesetzlosen zu verteidigen? Außerdem mochte es gut sein, dass sie mich nicht einmal bemerkten, bevor ich selbst unter einem Schwertstreich oder unter einem Axthieb fiel. Also stand ich reglos da, ebenso wie mein gehorsames Pferd, bis am Ende einer sagte: »Das genügt. Lasst ihn in seinem eigenen Saft kochen.« Die Männer in Grün stiegen wieder in die Sättel, nahmen das Pferd des anderen Mannes am Zügel und ritten nach Süden.
    Vorsichtig wagte ich mich nach draußen. Es war nicht mehr viel Licht, ich fand ihn ebenso dem schwachen, blubbernden Geräusch seines Atems nach als nach Sicht. Ich kniete mich neben ihn.
    »Hund?«
    Er lag auf der Seite, das Gesicht schmerzlich verzogen. Er hatte beide Hände auf den Bauch gepresst, und etwas lag am Boden neben ihm. Blut und … Díancécht helfe mir, man hatte ihm den Bauch längs und quer aufgeschnitten, seine Eingeweide hingen heraus, und er versuchte, sie zusammenzuhalten.
    Es gab Worte, verzweifelt gekeucht mit schwindendem Atem. Aber ich konnte nur eines erkennen.
    »… Messer …«
    Und ich wusste, wenn es so weit gekommen war, gab es tatsächlich keine Wahl. Meine Hände zitterten heftig, als ich den kleinen, scharfen Dolch zog, den mein Vater mir gegeben hatte.
    »Schließ die Augen«, flüsterte ich zitternd. Ich kniete neben seinem zuckenden Körper im schwindenden Licht und berührte mit der Dolchspitze vorsichtig die Stelle unter seinem Ohr. Dann schloss ich die Augen und zog die Klinge über seine Kehle, rasch und mit aller Kraft, während mein Herz klopfte und mein Magen sich protestierend zusammenzog. Warmes Blut floss über meine Hände. Das Pferd bewegte sich unruhig. Hunds Körper wurde schlaff, und seine Arme fielen von der großen Wunde in seinem Bauch zurück und … ich stand abrupt auf und wich zurück, und lange Zeit konnte ich mich nur an einen Baum lehnen, würgen, keuchen, den Inhalt meines Magens von mir geben, Augen und Nase triefend, der Kopf vor Zorn pochend. Logische Gedanken waren unmöglich. Nur flammende Ablehnung und durchdringender Ekel. Der Bemalte Mann. Eamonn von den Marschen. Sie unterschieden sich in nichts. Zusammen hatten sie dafür gesorgt, dass dieser Mann das Morgen nicht mehr erleben würde. Und ich würde diejenige sein, die die Narbe dieser Tat in ihrem Geist behielt, während sie es abschüttelten und in ihrer sinnlosen gegenseitigen Verfolgung weitermachten.
    Schließlich breitete der Mond ein schwaches silbernes Licht über diese verlassene Straße, und ich spürte, wie die Stute meine Schulter berührte, sanft aber beharrlich.
    »Schon gut«, sagte ich. »Schon gut. Ich weiß.« Es war Zeit, weiterzuziehen. Aber ich konnte ihn nicht so zurücklassen. Ich konnte ihn auch nicht bewegen, er war zu schwer. Im schwachen Licht war sein Gesicht friedlich, die gelben Augen geschlossen, die narbigen Züge ruhig. Ich versuchte, die klaffende Wunde in seiner Kehle nicht zu sehen.
    »Dana, nimm diesen Mann an dein Herz«, murmelte ich und zog das geliehene Hemd aus, das ich über meinem Kleid trug. Etwas glitzerte im Mondlicht. Der Lederstreifen war fein säuberlich durchgeschnitten, und als ich ihn hochhob, hatte ich Blut an den Fingern. »Wild wie ein Wolf«, sagte ich, und meine Tränen begannen zu fließen. »Stark wie ein furchtloser Hund, der sein Leben für seinen Herrn gibt. Sanft wie der treuste Hund, der je an der Seite einer Frau einherging. Ruh dich nun aus.«
    Ich legte das Hemd über sein Gesicht und seine Brust. Dann stolperte ich zurück zur Stute, und wir zogen weiter nach Süden, bis ich der Ansicht war, dass wir weit genug weg waren. Es gab dort eine Art Unterschlupf an der windabgewandten Seite eines Heuschobers. Ich wickelte Brans Umhang um mich und legte mich hin, und das Pferd ließ sich neben mir nieder, als wüsste es, dass ich seine Wärme brauchte, um die Finsternis fern zu halten. Ich war niemals näher daran gewesen, mir zu wünschen, ich würde einschlafen und nie wieder aufwachen.
    Am nächsten Morgen ritt ich weiter nach Süden und sah ein paar Bauern in ihren Karren und einen oder zwei andere Reisende, und alle sahen mich neugierig an, aber keiner sagte ein Wort. Ich nehme an, ich wirkte recht merkwürdig mit meinem zerzausten Haar und den Kleidern, die von Blut und Erbrochenem gezeichnet waren. Eine Verrückte. Als ich annahm, nah genug an Littlefolds zu sein, blieb ich an der Straße stehen und öffnete schließlich meinen Geist meinem

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