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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ich es nicht gewusst hätte. Eine Frau weiß so etwas. Ich bin nur froh, dass es dir gut geht. Und du wirst sicher keine Schwierigkeiten bei der Geburt haben, obwohl du so ein kleines Ding bist.«
    Es gelang mir zu lächeln.
    »Ich helfe dir, wenn deine Zeit gekommen ist«, fuhr Janis leise fort. »Sie hat bis dahin vielleicht nicht mehr die Kraft. Sie wird mir sagen, was ich tun soll. Ich werde ihr die Hände ersetzen. Schon gut, Mädchen, keine Tränen. Diese Nachricht hat ein Lächeln auf das Gesicht deiner Mutter gebracht. Und das macht wiederum ihn glücklich – den Großen. Du brauchst dich nicht zu schämen.«
    »Das ist es nicht«, sagte ich und blinzelte angestrengt. »Ich schäme mich nicht. Es ist wegen meiner Mutter und wegen Niamh und … wegen allem. Es verändert sich alles, und viel zu schnell. Ich weiß nicht, ob ich Schritt halten kann.«
    »Komm, Mädchen.« Sie nahm mich in die Arme und drückte mich fest. »Die Veränderung wird dir folgen. Du bist eine von denen, die sie einladen. Aber du bist ein starkes Kind. Du wirst immer wissen, was richtig ist, für dich und für dein Kind. Und deinen Mann.«
    »Das hoffe ich«, sagte ich ernst.
    Als ich mich an diesem Abend in der Halle umsah, fiel mir auf, dass es vielleicht für lange Zeit die letzte Gelegenheit sein würde, an der wir alle zusammen waren. Liam saß auf seinem geschnitzten Stuhl, und das strenge Bild, das er bot, wurde vielleicht ein wenig gemildert von den jungen Wolfshunden, die zu seinen Füßen Fangen spielten. Mein Bruder stand neben ihm, und die Ähnlichkeit war wie immer verblüffend. Sean hatte das gleiche schmale, lange Gesicht und das feste Kinn; die Züge eines künftigen Anführers. Auch Conor hatte dieses Gesicht, aber es war anders, denn es war stets von einem inneren Leuchten erfüllt, einer uralten Gelassenheit. Niamh saß schweigend neben ihrem Mann. Sie hielt sich sehr gerade, den Kopf hoch erhoben, und sah niemanden an. Sie trug einen Schleier über dem Haar, und ihr Kleid war wieder ausgesprochen züchtig. So rasch war ihr Licht ausgegangen, das so intensiv geleuchtet hatte, als sie hier am Imbolcfest tanzte und strahlte. Fionn ignorierte sie. Auf der anderen Seite meiner Schwester saß Aisling und hielt mit größeren Schwierigkeiten ein einseitiges Gespräch mit ihr aufrecht. Und auch Eamonn war dort, im Schatten, einen Bierkrug vor sich. Ich versuchte, seinem Blick auszuweichen.
    Meine Mutter war müde, das sah ich deutlich, und bedrückt, ihre ältere Tochter so verändert zu sehen. Ich sah, wie sie Niamh anschaute, dann den Blick wieder abwandte, und ich bemerkte das kleine Stirnrunzeln. Aber sie lächelte und unterhielt sich mit Seamus Rotbart und tat ihr Bestes vorzugeben, dass alles so war, wie es sein sollte. Vater wachte über sie und sprach wenig. Als wir mit der Mahlzeit fertig waren, wandte Mutter sich Conor zu.
    »Wir brauchen heute Abend eine gute Geschichte, Conor«, sagte sie lächelnd. »Etwas Ermutigendes, um Liam und seine Verbündeten gestärkt auf den Weg nach Tara zu schicken. Es wird viele Abschiede geben, denn Sean wird die Mädchen einen Tag oder zwei nach Westen begleiten und wir werden es hier einige Zeit sehr ruhig haben. Wähle deine Geschichte gut.«
    »Das werde ich tun.« Conor kam auf die Beine. Er war kein sehr großer Mann, aber er hatte etwas an sich, das ihn in seinem weißen Gewand beeindruckend, ja beinahe königlich wirken ließ. Der goldene Reif um seinen Hals schimmerte im Fackellicht, und seine Züge waren bleich und ruhig. Er stand einen Augenblick lang still, als wollte er die richtige Geschichte für diesen Abend heraufbeschwören.
    »Zu Zeiten des Abschieds, des Beginns neuer Unternehmen, ist es angemessen, eine Geschichte von Dingen zu erzählen, die gewesen sind, die noch bestehen und die weiter bestehen werden«, begann Conor. »Hört alle gut zu und macht aus dieser Geschichte, was euer Herz und euer Geist wollen, denn jeder fügt zu dem Faden der Worte seine eigenen Hoffnungen, seine eigenen Erinnerungen hinzu. Woran immer ihr glaubt, lasst meine Geschichte zu euch sprechen; vergesst diese Welt für eine Weile und gestattet eurem Geist, Jahre zurückzuwandern, zurück in eine andere Zeit, als in diesem Land noch keiner von unserer Art wandelte, als die Túatha Dé Danann, das Feenvolk, an den Stränden Erins eintrafen und auf unerwarteten Widerstand jener stießen, die vor ihnen hier lebten.«
    »Gute Geschichte, gute Geschichte«, brummte Seamus Rotbart und

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