Der Sohn der Schatten
weniger mächtigen Völker, die ihren eigenen Platz im Netz des Lebens haben. Die Sylphen der Himmelskuppel, die seltsamen, fischartigen Bewohner des Wassers, die Selkies des weiten Meeres, das kleine Volk von Pilz- und Baumstumpf.
Sie gehören zum Land wie die hohen Eichen und das Gras des Feldes, wie die glitzernden Lachse und die springenden Hirsche. Es ist alles ein und dasselbe, es ist miteinander verbunden und verwoben, und wenn ein Teil davon versagt, wenn ein Teil davon vernachlässigt wird, wird alles verwundbar. Es ist wie ein Torbogen, in dem jeder Stein den anderen stützt. Wenn man einen herauszieht, bricht alles zusammen.
Ich habe euch erzählt, wie unser Glaube schwächer wurde und wir gezwungen waren, uns zu verstecken. Aber in dieser Geschichte geht es nicht um den Weg der Christen und wie er an Kraft und Einfluss in unserem Land zunahm. Es ist eine Geschichte von Rache und Vertrauen. Es ist eine Geschichte, die ihr auf eigene Gefahr ignoriert, wenn ihr Verbündete von Sevenwaters sein wollt.«
Er hielt einen Augenblick inne.
»Sehr geheimnisvoll«, murmelte Liam und streckte die Hand aus, um einen der Hunde hinter dem Ohr zu kratzen. »Ich habe das Gefühl, die Geschichte hat noch nicht einmal begonnen, Bruder.«
»Du kennst mich gut«, erwiderte Conor mit einem dünnen Lächeln.
»Ich kenne Druiden«, sagte sein Bruder trocken.
Conor stand genau an demselben Platz, an dem Ciarán gestanden hatte, als er die Geschichte von Aengus Óg und der schönen Caer Ibormeith erzählt hatte, die er nach dem Bild meiner Schwester mit ihrem langen, kupferfarbenen Haar und der milchweißen Haut beschrieben hatte. Ich sah meine Schwester an und fragte mich, ob sie wohl dasselbe dachte, und bemerkte die Finger ihres Mannes, die auf ihrer Handfläche spielten, streichelten, neckten, zwickten, so dass Niamh plötzlich schmerzerfüllt zusammenzuckte.
»Komm und setz dich ein wenig zu mir, Niamh.« Meine Stimme klang laut in dem Schweigen, während Conor über den nächsten Teil seiner Geschichte nachdachte. »Wir haben wenig von dir gesehen in der letzten Zeit. Ich bin sicher, dass Fionn eine Weile auf dich verzichten kann.«
Fionn verzog in gekünstelter Überraschung den Mund. »Du bist mutig, kleine Schwester«, sagte er und zog die dunklen Brauen hoch. »Ich reite morgen Früh nach Tara; ich werde den größten Teil eines Monats ohne meine reizende Frau sein, vielleicht sogar länger, da man sie bedrängt hat, mich zu verlassen. Willst du sie mir noch weiter entziehen? Sie ist ein solcher … Trost für mich.«
»Komm, Niamh«, sagte ich und unterdrückte einen Schauder, als ich ihm direkt in die Augen sah, dann streckte ich eine Hand nach meiner Schwester aus. Alle sahen jetzt zu, aber niemand sagte ein Wort.
»… ich würde …«, sagte Niamh leise, aber ihr Mann hielt immer noch ihr Handgelenk fest. Also stand ich auf, ging zu ihr und hakte mich bei ihr ein.
»Bitte«, sagte ich freundlich und lächelte den Mann meiner Schwester auf eine – wie ich hoffte – bittende Weise an, obwohl ich befürchtete, dass die Botschaft meines Blicks eine andere war.
»Nun gut, wir haben später noch Zeit«, sagte er und löste seine Hand von ihrem Handgelenk.
Das ist der Uí Néill, Liadan. Sean sah mich missbilligend an. Die Stimme seines Geistes war streng. Misch dich nicht ein.
Sie ist meine Schwester. Und deine. Wie konnte er das vergessen? Aber es sah aus, als hätten sie es alle vergessen, als sie sie weggeschickt hatten.
Niamh setzte sich zu mir, und Conor begann wieder mit seiner Geschichte. Ich spürte, dass meine Schwester tief und schaudernd Luft holte und dann wieder ausatmete. Ich hielt ihre Hand in meiner, aber nicht sonderlich fest, denn ich hatte das Gefühl, als müsste ich mich ganz vorsichtig bewegen, wie auf Eierschalen, wenn ich ihr Vertrauen zurückgewinnen wollte.
»Dies ist die Geschichte des ersten Mannes, der sich in Sevenwaters niederließ«, sagte Conor ernst. »Er hieß Fergus, und von ihm stammen wir ab. Fergus kam aus dem Süden, aus Laigin, und er war der dritte Sohn und hatte daher wenig Aussichten auf das Land seines Vaters. Er war einer der Fianna, dieser wilden jungen Männer, die umherreiten, um ihre Schwerter an den zu verkaufen, der am meisten bietet. An einem schönen Sommermorgen wurde Fergus von seinen Freunden getrennt, direkt am Rand eines großen Waldes, und wie sehr er es auch versuchte, er konnte ihre Spur nicht mehr finden. Nach einer Weile, angelockt von
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