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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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eines der Tiere am Kopf zu tätscheln. Das Geschöpf hechelte vor Vergnügen, und der andere Hund winselte.
    »Das habt ihr gut gemacht«, sagte sie zu den Wachen. »Und jetzt öffnet und lasst uns herein. Mein Bruder befiehlt, dass wir unsere Gäste willkommen heißen, bis er zurückkehrt. Und haltet weiter Wache. Er möchte, dass wir in Sicherheit sind. Er lässt fragen, ob die Fianna weiterhin irgendwo entdeckt wurden? Der Bemalte Mann und seine Bande?«
    »Nein, Herrin. Keine Spur. Es gibt Gerüchte, der Bursche sei übers Wasser davongezogen, um einen Auftrag für einen ausländischen König zu erledigen. So sagen die Leute wenigstens.«
    »Dennoch, haltet weiter gut Wache. Mein Bruder würde es mir nicht verzeihen, wenn unseren Gästen etwas zustieße.«
    Als wir in den langen, dunklen Tunnel eingelassen wurden, der sich erst ein wenig absenkte und dann spiralförmig um den Hügel nach oben zog, dachte ich über Aisling nach. Sie war in Sevenwaters so liebenswert und nachgiebig, aber hier verhielt sie sich ganz anders. In Abwesenheit ihres Bruders war sie die Herrin, und alle gehorchten ihr, selbst wenn sie nur ein zartes junges Mädchen war. Im Licht der flackernden Fackeln, die an den Steinmauern in eisernen Haltern steckten, sah ich, dass Sean grinste, wenn sie Befehle gab. Was Niamh anging, die hatte kein Wort gesprochen, seit wir Sevenwaters verlassen hatten. Sie hatte sich steif von unseren Eltern verabschiedet, und ich hatte gesehen, wie meine Mutter sich mühsam die Tränen verkniff und mein Vater nur mit einiger Anstrengung ruhig blieb, weil der gesamte Haushalt zusah. Ich hatte wieder einmal gesehen, wie Geheimnisse unsere Familie spalteten, wie wir begannen, einander zu verletzen, und ich dachte oft an Conors Geschichte und was sie bedeuten sollte. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was Finbar mir gesagt hatte. Vielleicht kannst du nicht beides haben.
    Der unterirdische Weg führte weiter nach oben, aber es zweigten auch nach links und rechts Seitengänge voll schattiger Ecken und unerwarteter Auswirkungen des Fackellichts ab. Ich war froh, als wir schließlich in den oberen Hof kamen, wo wir am Eingang zum Hauptgebäude aus dem Sattel stiegen. Die hohe, runde Steinmauer, die den Blick auf das umgebende Land blockierte, hatte einen gedeckten Wehrgang, und viele Männer in Grün waren dort aufgestellt und hielten Wache. Innerhalb der Festungsmauern befand sich eine ganze Siedlung, Schmiede, Ställe, Vorratsschuppen, Mühle und Brauerei. Es war ein gesamtes Dorf, das dort seinen Angelegenheiten ordentlich nachging, als wäre ein so eingeschlossenes Leben absolut nichts Ungewöhnliches.
    Ich gestattete mir, einen Augenblick lang darüber nachzudenken, dass ich, wenn gewisse Ereignisse nicht verhindert hätten, dass ich Eamonns Heiratsantrag angenommen hätte, in einem Jahr hier als Herrin eingezogen wäre. Ich hätte allerdings einen mächtigen Grund gebraucht, um so leben zu können, nicht im Stande, über Bäume und Wasser hinauszuschauen und auf der Suche nach Beeren über Waldwege zu schlendern und die Hügel unter den jungen Eichen zu erklettern. Ich hätte Eamonn wirklich sehr lieben müssen, um einem solchen Leben zuzustimmen. Aber Niamh hatte auch Fionn nicht gewollt. Sie hatte nicht aus dem Wald weggehen und in Tirconnell leben wollen, aber sie war dennoch gegangen. Meiner Schwester hatte man keine Wahl gelassen.
    Wir bezogen unsere Zimmer. Niamh gab ihre Zurückhaltung lange genug auf, um dagegen zu protestieren, ein Schlafzimmer mit mir zu teilen, obwohl sie das sechzehn Jahre lang ohne eine einzige Beschwerde getan hatte. Aisling ließ sich nicht davon abbringen; alles war bereits organisiert, und es gab außer ihrer eigenen, die Niamh selbstverständlich gerne mit ihr teilen konnte, keine weitere passende Kammer. Niamh sah mich an und wartete darauf, dass ich vorschlug, bei Aisling einzuziehen und ihr gestattete, allein zu sein. Ich sagte nichts. Also schwieg Niamh wieder, runzelte die Stirn und verschränkte die Finger.
    »Vielleicht ist eine Uí Néill zu großartig für mich«, sagte ich und versuchte recht erfolglos zu lächeln, als wir die Treppe zu unserem Zimmer hinaufgingen. Das Zimmer selbst war geräumig, wenn auch dunkel, das einzelne schmale Fenster war ein Schlitz, der in den Hof hinausging. Es gab zwei schlichte Betten mit schneeweißem Leinen und dunklen Wolldecken. Es gab einen Tisch mit einem Krug Wasser und einer Schüssel und weichen Tüchern. Alles war makellos sauber

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