Der Sohn der Schatten
zurück, sagten die Stimmen. Zurück.
Was wollten sie mir sagen, fragte ich mich grimmig, als ich zögernd die unterirdische Passage wieder verließ und ins Haus zurückehrte. Dass ich in Sidhe Dubh bleiben und den Dingen ihren Lauf lassen sollte? Das war ihr Rat in dem großen Hügelgrab gewesen, und wo hatte es mich hingebracht? Ahnen oder nicht, ich fing an, mich zu fragen, ob sie wussten, was sie taten. Das Feenvolk hatte mich angewiesen, nicht auf diese alten Stimmen zu hören. Dass sie gefährlich sein konnten. Dennoch, die Alten hatten mir einen Schlüssel gegeben. Ein Schlüssel war zumindest ein Anfang.
An diesem Abend sagte mir Aisling sehr höflich, dass es besser wäre, wenn ich nicht mehr in die unterirdischen Teile der Festung ginge. »Mein Waffenmeister macht sich Sorgen um deine Sicherheit«, erklärte sie förmlich. Ich sah, dass sie verlegen war, einer Freundin Grenzen setzen zu müssen. In Sevenwaters hatten wir uns immer gut verstanden. Tatsächlich waren wir manchmal mehr wie Schwestern gewesen als Niamh und ich. Aber hier war sie die Herrin des Hauses, und ich spürte, dass es wenig Sinn hatte zu widersprechen. Und ich war erschrocken, dass sie von meinen Forschungen gehört hatte; ich war so vorsichtig gewesen.
»Es fällt mir schwer, so … so eingesperrt zu sein«, sagte ich.
»Ja, aber diese alten Gänge und Räume sind nicht sicher«, erwiderte Aisling mit fester Stimme. »Eamonn würde nicht wollen, dass du in Gefahr bist. Bitte geh dort nicht wieder hin.«
Das war ein Befehl. So freundlich sie sich ausgedrückt hatte, ich musste ihn befolgen. Meine Möglichkeiten wurden rasch geringer. Wir waren dem Tag, an dem Eamonn und Fionn aus Tara zurückkehrten, schon sehr nahe, und ich hatte nicht einmal eine Spur eines praktischen Plans. Tatsächlich begann ich zu bezweifeln, dass ich mein Versprechen gegenüber Niamh halten könnte. Aber ich war ihre Schwester. Ich konnte sie nicht nach Tirconnell und zu einem Mann zurückkehren lassen, der sie so wenig schätzte. Ich hatte ihren Blick gesehen. Ich wusste, dass sie es ernst meinte, als sie sagte, sie würde sich lieber töten als weitermachen. Ich musste sie hier herausbringen, bevor sie zurückkehrten. Irgendwie musste ich einen Weg finden.
Am Ende wusste ich nicht, ob die Lösung eine war, die ich selbst entdeckte, oder ob die Alten mich in die richtige Richtung schoben. Vielleicht dachten wir einfach auf dieselbe Weise, da wir aus derselben Familie stammten. Es war früh am Morgen, direkt nach der Dämmerung, und Niamh schief noch, fest zusammengerollt unter ihrer Wolldecke, ihr kurz geschnittenes Haar hell auf dem Kissen. Meine Nächte waren immer ruheloser geworden. Ich lag wach und dachte über Lösungen nach, die alle gleichermaßen undurchführbar waren. Ich lag mit offenen Augen da und dachte an die Gefahren, es Sean zu erzählen oder meinem Vater oder Conor, und beschloss, dass ich es nicht tun konnte. Mein Vater hatte mir beigebracht, dass ein Versprechen nicht gebrochen werden durfte. Außerdem konnte ich nicht sicher sein, was sie tun würden. Es war durchaus möglich, dass sie die Allianz für wichtiger hielten als Niamh. Ich konnte es nicht riskieren, ihnen alles zu sagen, nur um dann vielleicht feststellen zu müssen, dass für sie Fionns strategischer Wert seine Geringschätzung meiner Schwester überwog. Also musste ich meine eigene Lösung finden. Aber es gab keinen Ausweg. Was erwarteten die Alten von mir? Sollte ich fliegen?
Im Morgengrauen stand ich auf und zog mich an, eines meiner weiten Gewänder, und ich fragte mich, wie groß mein Bauch wohl noch werden müsse, bevor Niamh die Veränderung meines Äußeren bemerkte. Unsere Kleider befanden sich in einer uralten Holztruhe, die in einer Nische des Zimmers stand, das wir teilten, einer Nische, in der ein Wandteppich hing, um die Zugluft fern zu halten. Ich wühlte in dieser Truhe nach einem Tuch, weil es ein kühler Morgen war, und als ich mich wieder aufrichtete, um es um mich zu wickeln, wurde mir einen Augenblick lang schwarz vor Augen. Ich streckte die Hand aus und stützte mich gegen die holzgetäfelte Wand der Nische. Dort berührte ich etwas. Es war eine Markierung an der Wand, ein winziger Riss in der Holzoberfläche. Es war zu dunkel, als dass ich hätte genauer sehen können, um was es sich handelte. Ich holte eine Kerze und sah mir die Stelle an. Ein Wandbehang gegen den Durchzug. Wo es Durchzug gibt, muss es auch eine Öffnung geben. Meine Hand folgte
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