Der Sohn der Schatten
dem Riss, der ein Quadrat von der Größe bezeichnete, in das ein kleiner Mann oder eine kleine Frau gebückt passen würde. Eine Tür. Sie war ringsumher mit winzigen Schnitzereien bedeckt, Oghamzeichen wie jenes, das mein Onkel Finbar als Amulett um den Hals trug. Aber Eamonns Vorfahr war sicher kein Druide gewesen. Wurden diese geheimen Schutzzeichen auf seinen Wunsch angefertigt oder waren sie von Alten hergestellt worden, jenen, die am Ort dieser Feenfestung gelebt hatten, lange bevor die Menschen ihre Hand darauf legten und etwas beanspruchten, was nie wirklich ihnen gehören konnte? Die tiefen Orte gehörten den Alten. Kein Emporkömmling von einem Häuptling mit einem Beutel Silber und ein paar Wagenladungen Stein, um etwas zu bauen, würde daran etwas ändern können, sosehr er auch versuchte, der Landschaft seinen Stempel aufzudrücken.
Ich fand ein Schlüsselloch. Zitternd holte ich den alten Schlüssel dort hervor, wo ich ihn verborgen hatte, und probierte ihn aus; ich wusste, dass er passen musste. Nun spürte ich etwas Unvermeidliches an dieser Angelegenheit; ich wusste, dass man mich vorwärts führte. Aber ich empfand auch mehr Angst als Erleichterung. Die kleine Tür öffnete sich und enthüllte eine Wendeltreppe, die ins Dunkel hinabführte. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Röcke zu raffen, die Kerze in die andere Hand zu nehmen und hineinzugehen in der Hoffnung, dass Niamh nicht aufwachen würde, bevor ich zurückkehrte.
Die Treppe war so steil und schmal, dass ich nur ein paar Schritte weit sehen konnte. Sie war ein Meisterwerk der Baukunst, drang in die Tiefe des Hügels ein, bis ich mich vermutlich auch unterhalb des tiefsten Bereichs des Hauses befand, unterhalb des Hofes, ein Stück sogar unterhalb der Stellen, wo die spitzen Felsen den Hügel umgaben, unterhalb der Festungsmauer. Und endlich sah ich Licht vor mir, ein Licht, das anders war als der schwache Schein meiner flackernden Kerze, eine wachsende Helligkeit, unmissverständlich die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, die durch den Nebel des Marschlandes drangen. Ich kam um die letzte Biegung der Treppe, und vor mir, keine fünf Schritte entfernt am Ende eines schmalen Tunnels in den Felsen, gab es eine Öffnung in den Morgen. Ich hatte einen Weg nach draußen gefunden.
Es war nicht viel mehr als eine Ritze im Felsen, groß genug, dass ein Mädchen meiner Größe sich durchzwängen konnte, aber zu schmal für einen Mann in Rüstung. Tatsächlich war es gut, dass mein Kind gerade erst begonnen hatte, meinen Bauch schwellen zu lassen, denn bald schon würde selbst ich diesen Weg nicht mehr nehmen können. Seltsam, dachte ich, dass es einen solchen Riss in der undurchdringlichen Rüstung von Sidhe Dubh gab. Und er war unbewacht. Dann sah ich mich um und begann zu verstehen. Die Stelle, aus der ich gerade aufgetaucht war, befand sich direkt unterhalb des Kreises spitzer Felsen, die den Hügel umgaben. Hinter und über mir gingen auf den hohen Mauern Wachtposten hin und her, offensichtlich meiner Gegenwart hier nicht bewusst. Ich spähte geradeaus nach Norden, und dort befand sich die flache Linie weit entfernter Hügel, die ich von den Zinnen her gesehen hatte. Die Ebene vor mir war Sumpf, so gefährlich, dass es den Tod bedeuten würde, wenn man versuchte, ihn zu überqueren – es sei denn, man kannte den Weg. Wir konnten also bis hierher kommen, aber nicht weiter. Ich duckte mich in die Felsen in der Hoffnung, dass die Wachen mich nicht entdeckten. Ich konnte nicht sicher sein, dass sie sich die Mühe gaben, einen Eindringling erst zu identifizieren, bevor sie ihre Pfeile abschossen. Die Öffnung hinter mir, durch die ich gekommen war, war unsichtbar, nur eine weitere Unregelmäßigkeit in den zerklüfteten Felsen des Abhangs. Vielleicht war sie auch von Feenkunst verborgen. Ich hatte meine Schritte sorgfältig gezählt und mir ihre Richtung genau gemerkt, denn ich hatte nicht vor, mich hier draußen zu verirren.
Eine Weile saß ich dort still und wusste, dass ich nur eine halbe Lösung hatte, aber die zweite Hälfte nicht erreichen konnte. Es war ein kühler Morgen, und die Wolken versprachen Regen. Unten am Wasser gab es Vögel, langbeinige Marschvögel, die mit ihren Schnäbeln nach seltsamen hüpfenden Insekten hackten. Ich beobachtete sie und spürte, wie mein Sohn seine winzigen Glieder bewegte. Ich wünschte, du könntest diese Vögel sehen, sagte ich ihm. Du wirst viele Vögel sehen, wenn wir wieder zu Hause in
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