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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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vergessen, was zwischen uns war?«
    »Nein, Liadan.« Er bewegte die Finger ein wenig über das Gras, und Johnny setzte sich plötzlich mit einem überraschten Geräusch hin. Er blickte zu seinem Vater auf, und in seinen Augen stand der gleiche faszinierte, gebannte Blick wie in Brans. »Ich habe es nicht vergessen. Solch eine Nacht und solch ein Morgen sind nichts, was man vergisst, ganz gleich, was darauf folgt. Aber das hier … das kann ich nicht glauben. Ich muss träumen. Es ist sicherlich nur eine wilde Fantasie.«
    »Es hat sich nicht sonderlich nach einem Traum angefühlt, als ich ihn zur Welt brachte«, sagte ich trocken. Er sah mich an, mit grimmig zusammengekniffenen Lippen.
    »Warum hast du es mir nicht gesagt? Wie konntest du es mir verschweigen?«
    »Ich war nah daran, als ich dich bei Sidhe Dubh sah. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, und außerdem kam es mir so vor, als trügst du bereits mehr als genug Lasten. Ich wollte keine weitere hinzufügen. Und dennoch, ich wünschte, du wärst dabei gewesen. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass du da wärst, um diesen Augenblick der Freude zu teilen, als unser Sohn zur Welt kam.«
    Wieder schwieg er. Johnny war seiner Hand müde geworden und krabbelte zum sandigen Ufer. Bran sah ihm nach, und in seinen Augen stand ein Ausdruck, der mir das Herz zerriss. Aber als er schließlich sprach, war seine Stimme sehr beherrscht.
    »Du weißt, was ich bin. Du weißt, was für ein Leben ich führe. Ich bin nicht dazu geeignet, Vater oder Ehemann zu sein. Wie du selbst sagtest, mein Handwerk ist das Morden. Ich will nicht, dass mein Sohn ebenso wird wie ich. Er ist ohne mich besser dran, und das bist du auch. Ich kann nicht hoffen, deine Verwandten zu verstehen, aber ich weiß, was immer die Fehler deines Vaters waren, dein Bruder ist ein guter Mann und im Stande, dich zu schützen und für dich zu sorgen. Dies soll ein Abschied für uns sein, Liadan. Ich kann nicht der Mann sein, den du brauchst. Ich bin … besudelt und voller Fehler. Am besten sollte dieses Kind nie erfahren, wer sein Vater war.«
    Ich konnte kaum sprechen. »Du möchtest also, dass sich die Geschichte von Cú Chulainn und Conlai wiederholt?«
    »Eine traurige Geschichte«, sagte er leise. »Ebenso traurig wie unsere.«
    Wir saßen beide still da und beobachteten unseren Sohn, der mit einer Entschlossenheit über den Strand krabbelte, die seiner Körperbeherrschung nicht immer entsprach. Er wackelte auf Händen und Knien hin und her, kippte manchmal zur Seite und kam dann wieder hoch.
    »Ich sehe, dass ich mich geirrt habe«, sagte Bran nach einer Weile. »Als ich es eine Last nannte. Es ist keine Last, sondern ein kostbares Geschenk. Ein solches Geschenk sollte nicht an einen Mann wie mich verschwendet werden.«
    »Ah«, sagte ich leise. »Aber Geschenke kommen, ob man sie will oder nicht. Wir haben das beide akzeptiert, in der Nacht, als wir zusammenlagen. Dein Sohn fällt kein Urteil über dich, ebenso wenig, wie ich es tue. Für ihn bist du ein unbeschriebenes Blatt, auf das alles geschrieben werden könnte, von diesem Tag an. Was mich angeht, ich habe dich nie gebeten, dich zu ändern. Du bist, was du bist. Ich habe starke Hände, Bran. Auch in der finstersten Nacht habe ich Wache für dich gehalten. Zu Neumond brennt meine Kerze, um deinen Weg zu beleuchten. Du magst dich entscheiden, dieses Geschenk abzuweisen, aber ich werde nicht so leicht aufgeben. Ich trage dich in meinem Herzen, ob du es willst oder nicht.«
    Er nickte. »Das wusste ich, ohne es zu verstehen. Es gab Zeiten, an denen ich glaubte, dich zu sehen, dort im Dunkeln. Aber ich habe es als Schwäche abgetan. Liadan, du solltest dich nicht auf diese Weise binden. Du hast Besseres verdient, viel Besseres. Ein Leben der Ehre, ein Leben voller guter Ziele, einen Mann, neben dem du ohne Schande einhergehen kannst. Meine Welt ist eine Welt der Gefahren und der Flucht, der Schatten und der Verstecke. Das wird sich nicht ändern. Ich würde dir eine solche Existenz nicht zumuten, oder dem … oder meinem Sohn.«
    »Wenn du keine Zukunft sehen kannst, in der wir zusammen sind, warum bist du dann gekommen, um mich zu sehen?«, fragte ich ihn. »Warum hast du nicht einfach deine Geschäfte mit Sean erledigt und dich im Verborgenen wieder davongeschlichen? Du hast mich einmal gebeten, mit dir zu kommen. Vielleicht hast du das vergessen. Du hast dich anders entschieden, als du meinen Namen erfuhrst, und dennoch gestattest du meinem

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