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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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unter den Bäumen, auf der Johnny schläft? Bring sie her.«
    Bran fuhr mit den Fingern über die Flickendecke, die ich genäht hatte, berührte einen Flicken und dann einen weiteren.
    »Das ist …«
    Ich nickte. »Ich habe mir die Freiheit genommen, an deinem Umhang ein paar Änderungen vorzunehmen, so dass ich ihn tragen konnte. Diese Decke beinhaltet die Herzen von Johnnys Familie und wärmt seinen Schlaf mit ihrer Liebe. Das rosafarbene Kleid meiner Schwester Niamh, mein Reitgewand, das alte Hemd meines Vaters, fleckig von seiner Arbeit auf dem Bauernhof. Dein Umhang, der mich zugedeckt hat, als ich unter den Sternen schlief. Und …«
    Seine Finger waren auf einem Flicken aus ausgeblichenem Blau zur Ruhe gekommen, wo uralte Stickerei sich zart über den Stoff zog, eine Ranke, ein Blatt, ein winziges, fliegendes Insekt. Dann drehte er den Arm um, und dort eingraviert mit Nadel und Tinte, innen auf dem Handgelenk, war dasselbe Geschöpf zu sehen. Das erste Muster, was er verlangt hatte, als er neun Jahre alt war und entschieden hatte, ein Mann zu sein.
    »Dieser Stoff kommt von einem Kleid, das meine Mutter getragen und geschätzt hat«, sagte ich. »Sie hatte eine Freundin in Harrowfield, Johns Frau Margery. Margery hat dieses Kleid selbst gemacht; sie war sehr geschickt mit der Nadel. Es war ein Geschenk an meine Mutter, ein Geschenk der Liebe. Denn als Margerys Sohn zur Welt kam, waren es nur die Fähigkeiten meiner Mutter als Hebamme, die sein Leben retteten. Als mein eigener Johnny geboren wurde, sagte meine Mutter, die Wehen seien sehr ähnlich gewesen und das Kind so sehr wie jenes andere, dass es kein Zufall gewesen sein konnte. Sie sagte: ›Ich glaube, ich könnte den Namen des Vaters nennen.‹ Iubdan – Lord Hugh – war derselben Ansicht. Ich wollte meinem Sohn den Namen seines Vaters geben. Ich wollte dir deinen Namen zurückgeben. Deine Eltern würden nicht wollen, dass du so hasst. Sie waren meiner Mutter ihren Dank schuldig, und umgekehrt schuldete meine Mutter ihnen Dank. Sie haben ihr Zuflucht gegeben und sie geliebt.«
    »Das kannst du nicht wissen.«
    »Ich möchte, dass du mir etwas erzählst. Du sagtest, mein Bruder sei ein guter Mann. Ich glaube, du denkst nichts Böses von mir, bei all deinem Gerede von verzauberten Netzen, und auch nicht von meiner Schwester, der du unter beträchtlichen Gefahren geholfen hast. Aber wir sind die Kinder unseres Vaters, Bran, und unserer Mutter. Vielleicht solltest du die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass Hugh von Harrowfield sowohl aus Liebe als auch aus Pflichtbewusstsein gehandelt hat, als er nach Sevenwaters kam. Er ist nicht einfach davongegangen, ohne für seine Leute zu sorgen.«
    »Das verstehst du nicht. Es ist auch besser, dass du es nicht verstehst und dass du es nie erfährst.«
    »Was ist aus deiner Mutter geworden?«
    Schweigen. Die Verletzung, worin immer sie bestehen mochte, lag zu tief, um auf diese Weise entdeckt zu werden. Sie war zu gut abgeriegelt.
    »Ich werde dir noch eine einzige Frage stellen, und das ist alles. Was, wenn ich mit dem Kind an einem gefährlichen Ort wäre, und du würdest eine Wache für uns organisieren, vielleicht Löwe oder Schlange? Was, wenn jemand uns angriffe und diese Wache würde getötet? Würdest du glauben, dass es unvernünftig war, ihn zu bitten, diese Pflicht zu erfüllen?«
    »Sie würden nicht umkommen. Meine Männer sind die Besten. Außerdem würde es nicht so sein. Wenn du und … Johnny in Gefahr wäret, würde ich euch selbst bewachen. Eine solche Aufgabe würde ich keinem anderen überlassen. Die Frage ist unangemessen. Ich werde dafür sorgen, dass so etwas nie geschehen würde. Wenn ich … wenn ich für dich verantwortlich wäre, würdest du nie in Gefahr geraten.«
    »Aber wenn es doch geschähe?«
    »Meine Männer gehen jeden Tag solche Risiken ein«, sagte er widerstrebend. »Männer sterben, und dennoch geht unsere Arbeit weiter. Aus diesem Grund haben wir keine Frauen und keine Söhne.«
    »Hm«, sagte ich. »Nun, du hast jetzt mindestens zweimal gegen die Regeln verstoßen. Wirst du es ihnen sagen, wenn du zurückkehrst?«
    Er schwieg einen Augenblick lang.
    »Ich werde nicht zurückkehren, ehe der Auftrag nicht erledigt ist«, sagte er. »Und ich habe die Wahrheit gesagt, als ich erklärte, dass ich hier bin, um mit deinem Bruder zu sprechen. Es wird spät; ich muss gehen.«
    Er stand auf, die kleine Decke noch in seiner Hand. Johnny war in seiner Beschäftigung

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