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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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gehört hat, es gäbe eine Tochter von außergewöhnlicher Schönheit und außergewöhnlichen Fähigkeiten im Haushalt von Sevenwaters. Er teilt mir mit, dass er eine Frau sucht und dass sein Vater eine solche Verbindung im Interesse beider Familien für gut halten würde. Er macht eine verdeckte Andeutung auf unsere Fehde mit den Briten von Northwoods und weist auf die Armee hin, die ihm zur Verfügung steht und die sich ganz in unserer Nähe befindet. Er erwähnt auch die strategische Position von Sevenwaters im Hinblick auf seine Verwandten weiter im Süden, sollte er aus dieser Richtung bedroht werden. Für einen kurzen Brief enthält der seine eine ganze Menge.«
    »Was für ein Mann ist dieser Fionn?«, warf Aisling recht mutig ein. »Ist er jung oder alt? Sieht er gut oder schlecht aus?«
    »Er ist in mittleren Jahren, soweit ich weiß«, meinte Liam. »Vielleicht dreißig. Ein Krieger. Ich weiß nicht, wie er aussieht.«
    »Dreißig!« Aisling war eindeutig entsetzt bei dem Gedanken, dass eine von uns einen so uralten Mann heiraten könnte.
    Sean grinste. »Eine Tochter von außergewöhnlicher Schönheit«, murmelte er. »Das ist wohl Niamh.« Er warf mir einen Blick zu, zog die Brauen hoch, und ich zog eine Grimasse.
    »Ja, das Angebot bezog sich auf Niamh«, stimmte Liam zu und missachtete völlig diesen Austausch zwischen mir und meinem Bruder. »Was hältst du davon, Nichte?«
    »Ich …« Niamh schien kaum in der Lage, etwas sagen zu können, was ein recht ungewöhnlicher Zustand für sie war. Plötzlich war sie ausgesprochen bleich geworden. »Ich …«
    Und dennoch, es kann kaum ein solcher Schock gewesen sein. Es war im Gegenteil eher überraschend, dass wir erst jetzt, da sie siebzehn war, die erste förmliche Bewerbung erhielten.
    »Das ist zu viel für ein junges Mädchen, so ganz plötzlich, Liam«, sagte meine Mutter rasch. »Niamh braucht Zeit, um darüber nachzudenken, ebenso wie wir. Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich diesen Brief vielleicht noch einmal ganz in Ruhe mit ihr zusammen lesen.«
    »Nein, ich habe nichts dagegen«, erwiderte Liam.
    »Wir müssen darüber sprechen.« Mein Vater war bis zu diesem Punkt ruhig geblieben, aber sein Tonfall machte klar, dass ihm niemand seine Entscheidungen abnehmen würde. »Hat dieser Fionn vor, sich uns persönlich vorzustellen, oder müssen wir seine Vorzüge nur aus seiner Schrift lesen?« Es waren Augenblicke wie dieser, in denen man daran erinnert wurde, wer mein Vater war und einmal gewesen war.
    »Er möchte zunächst wissen, ob wir die Angelegenheit überhaupt in Betracht ziehen. Wenn die Antwort günstig ist, hat er vor, an Mitsommer hierher zu reisen, um sich vorzustellen, und hofft, ohne Verzögerung heiraten zu können, wenn wir zustimmen.«
    »Dann ist es nicht nötig, dass wir uns eilen«, sagte Iubdan leise. »Solche Angelegenheiten sind schwer wiegend und sollten entsprechend bedacht werden. Eine Wahl, die zunächst gut erscheint, mag sich nach einiger Zeit als unklug erweisen.«
    »Dennoch«, meinte Liam, »eure Tochter ist in ihrem achtzehnten Jahr. Sie hätte schon vor zwei oder drei Sommern heiraten können. Darf ich dich erinnern, dass Sorcha in ihrem Alter schon verheiratet und Mutter dreier Kinder war? Und ein Angebot von einem Häuptling in solcher Position erhält man nur selten.«
    Niamh erhob sich abrupt, und nun konnte ich sehen, dass sie tatsächlich zugehört hatte und von Kopf bis Fuß bebte.
    »Ihr könnt aufhören, über mich zu reden, als wäre ich eine … eine Kuh, die ihr vorteilhaft zur Zucht verkaufen wollt«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich werde diesen Uí Néill nicht heiraten, ich kann es nicht. Das ist … das lässt sich nicht ändern. Es ist einfach unmöglich. Warum fragt ihr ihn nicht, ob er stattdessen Liadan nehmen würde? Das ist vermutlich das beste Angebot, das sie je erhalten wird. Und wenn ihr mich jetzt entschuldigt …« Sie stürzte zur Tür, und ich konnte sehen, wie die Tränen zu fließen begannen, als sie hinausstolperte und den Flur entlanglief und die Familie in verblüfftem Schweigen zurückließ.
    ***
    Sie wollte nicht mit mir sprechen. Sie wollte nicht mit Mutter sprechen. Sie wollte nicht einmal mit Iubdan sprechen, der der beste Zuhörer war, auf den man hoffen konnte. Liam ging sie vollkommen aus dem Weg. Die Situation wurde im Laufe der nächsten Tage recht angespannt, und Fionns Brief blieb unbeantwortet. Es gab kein Zeichen für einen Kompromiss, und mein Onkel

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