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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wurde gereizt. Alle begriffen, dass Niamhs Reaktion über das hinausging, was zu erwarten gewesen war (nämlich schockierte, aber geschmeichelte Überraschung, gefolgt von mädchenhaftem Zögern und schließlich errötender Zustimmung). Was sie nicht begriffen, war der Grund. Meine Schwester war, wie Liam bereits erklärt hatte, schon recht alt für eine unverheiratete Frau, und das bei ihrer Schönheit. Warum hatte sie dieses Angebot nicht angenommen? Ein Uí Néill! Und ein künftiger Häuptling! Gerüchte verkündeten, dass es Eamonn war, den sie wirklich wollte, und dass sie wartete, bis er zurückkehrte. Ich hätte ihnen sagen können, dass sie sich irrten, aber ich hielt den Mund. Ich hatte eine gewisse Vorstellung davon, was in ihrem Kopf vorging. Ich hatte einen Verdacht darüber, wohin sie an jenen Tagen ging, wenn sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang verschwunden war. Aber die Gedanken meiner Schwester waren undurchdringlich; ich konnte nur raten, um was es tatsächlich ging und leidenschaftlich hoffen, dass meine Spekulationen unbegründet waren.
    Ich versuchte, mit ihr zu reden, erreichte aber nichts. Zuerst war ich freundlich und taktvoll, denn sie weinte viel und lag auf dem Bett und starrte zur Decke hinauf oder stand am Fenster, das Gesicht im Mondlicht tränenüberströmt, und spähte hinaus zum Wald.
    Als Freundlichkeit keine Wirkung zeigte, wurde ich direkter.
    »Ich glaube nicht, dass du einen sonderlich guten Druiden abgeben würdest, Niamh«, sagte ich ihr eines Abends, als wir allein in unserem Zimmer saßen und nur eine kleine Kerze auf der Truhe zwischen unseren schmalen Betten brannte.
    »Was?« Damit hatte ich zweifellos ihre Aufmerksamkeit geweckt. »Was hast du da gesagt?«
    »Du hast mich schon verstanden. Es gibt dort keine warmen Decken, keine freundlichen Diener, keine Samtgewänder. Es gibt nur ein Leben der Disziplin und des Lernens und der Selbstbeschränkung. Es ist ein Leben des Geistes, nicht des Fleisches.«
    »Halt den Mund!« Ihre wütende Reaktion sagte mir, dass ich der Wahrheit sehr nahe gekommen war. »Was weißt du denn schon? Was weißt du denn über irgendetwas? Meine kleine Schwester, die so beschäftigt ist mit ihren Kräutern und Tränken und ihrer gemütlichen Runde im Dorf! Welche Männer werden dich schon haben wollen, außer vielleicht einem Bauern mit großen Händen und Schlamm an den Stiefeln?« Sie warf sich aufs Bett, schlug die Hände vors Gesicht, und ich nahm an, dass sie weinte.
    Ich holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Mutter hat einen Bauern mit großen Händen und Schlamm an den Stiefeln geheiratet«, sagte ich leise, »und es gab mehr als nur ein paar Frauen in Sevenwaters, die glaubten, dass er als junger Mann ein guter Fang war. Das sagen sie zumindest.«
    Sie regte sich nicht, gab keinen Laut von sich. Ich spürte die tiefe Verzweiflung, die zu ihren grausamen Worten geführt hatte.
    »Du kannst ruhig mit mir reden, Niamh«, sagte ich. »Ich werde mein Bestes tun, dich zu verstehen. Du weißt doch, dass es so nicht weitergehen kann. Alle sind aufgeregt. Ich habe den Haushalt noch nie so gespalten gesehen. Warum erzählst du es mir nicht? Vielleicht kann ich etwas tun.«
    Sie hob den Kopf und sah mich an. Ich war entsetzt darüber, wie bleich sie war und welch tiefe Schatten sie unter den Augen hatte.
    »Oh, jetzt ist es alles auf einmal meine Schuld!«, sagte sie mit halb erstickter Stimme. »Ich habe alle durcheinander gebracht, wie? Wer hat denn beschlossen, mich zu verheiraten, damit sie irgendeinen dummen Krieg gewinnen können? Ich kann dir sagen, das war nicht meine Idee!«
    »Manchmal kann man eben nicht haben, was man will«, meinte ich ruhig. »Du musst es vielleicht einfach akzeptieren, so schwer es dir jetzt vorkommen mag. Dieser Fionn ist vielleicht gar nicht so schlecht. Du könntest ihn dir zumindest einmal ansehen.«
    »Das ist wirklich ein guter Vorschlag, und ausgerechnet von dir! Du würdest doch keinen echten Mann erkennen, wenn du einen sähst. Hast du nicht Eamonn als möglichen Kandidaten für mich vorgeschlagen? Eamonn?«
    »Es schien mir … möglich.«
    Das folgende Schweigen dauerte lang. Ich blieb still, saß in meinem einfachen Nachthemd aus Leinen im Schneidersitz auf meinem Bett. Ich nahm an, was sie über mich gesagt hatte, entsprach der Wahrheit, und ich fragte mich wieder, ob sich mein Vater wegen Eamonn nicht geirrt hatte. Ich versuchte, mich mit den Augen eines Mannes zu sehen, aber das war

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