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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Immer unterwegs. Selbst dieser Ort ist nicht sicher; jedenfalls nicht lange.«
    Ich räusperte mich. »Bran hat mir einmal gesagt … er sagte, er hätte ein Haus. Wo ist das?«
    »Davon weiß ich nichts«, meinte Schlange. »Unser Hauptmann ist nicht gerade einer, der sich niederlässt.« Er und Wolf schauten beide Möwe an.
    »Es ist nicht nötig, vor Liadan ein Geheimnis zu wahren«, sagte Möwe leise. »Sie gehört zu uns.«
    Einen Augenblick später nickte Schlange, und Wolf grunzte zustimmend.
    Möwe wandte sich mir wieder zu. »Dann hat der Hauptmann es dir also gesagt«, meinte er und schaute hinüber zu dem Mann, der reglos in dem Unterstand lag.
    »Ja. Vor langer Zeit. Was ist das für ein Ort, Möwe?«
    »Eine Insel. Im Norden. Ein wilder, ungastlicher Ort. Leicht zu bewachen. Nicht leicht zu erreichen. Auf ganz eigene Art schön. Man könnte dort ein Lager bauen. Die Leute könnten hinkommen und unterrichtet werden.«
    »Wie diese Insel in der Geschichte«, meinte Schlange nachdenklich, und seine Gedanken waren zweifellos seinen Worten bereits voraus. »Die Insel dieser Kriegerfrau, erinnerst du dich? Wie hieß sie noch? Und du wärst dann auch da, du und der Junge. Wie in der Geschichte.«
    »Ich sage euch gleich, ich habe nicht vor, es Scáthach oder ihrer Tochter nachzumachen«, meinte ich trocken. »Aber du hast Recht. Was immer geschieht, ich habe vor, bei ihm zu bleiben.«
    »Welcher Häuptling würde solchen wie uns gutes Silber zahlen?«, fragte Ratte. »Was ist mit unserem Ruf? Diese Lords müssen auf ihre Verbündeten Rücksicht nehmen. Es gibt nicht einen, der einem solchen Unternehmen trauen würde.« Trotz seiner Worte blitzten seine Augen vor Hoffnung.
    »Was das angeht«, meinte ich bedächtig, »halte ich es für möglich, dass ihr im Lauf der Zeit akzeptiert würdet. Ihr braucht nur einen Anfang. Ein hoch angesehener Anführer müsste den ersten Schritt tun. Vielleicht könnte er euch auch zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, darüber könnte man reden. Mein Bruder könnte euch beides geben.«
    »Dein Bruder?« Möwe zog die Brauen hoch. »Der Herr von Sevenwaters? Er würde offen zugeben, dass er mit solchen wie uns zu tun hat?«
    Ich nickte. »Ich glaube schon. Mein Bruder hat einmal davon gesprochen, besondere Dienste als Handelsgut zu verwenden. Er begreift den Wert dessen, was ihr da anzubieten habt. Es war ein Auftrag meines Bruders, bei dem Bran gefangen genommen wurde. Sean schuldet mir einen Gefallen dafür, und außerdem für eine andere … Angelegenheit, die ich für ihn geregelt habe. Ich glaube schon, dass er zustimmen wird.«
    Schlange stieß einen lang gezogenen Pfiff aus.
    »Ihr solltet auch daran denken, eure Möglichkeiten zu erweitern«, fuhr ich fort. So langsam erwärmte ich mich für den Gedanken. »Eine Armee braucht Wundärzte und Heiler, Astronome und Navigatoren ebenso wie Krieger. Und die Männer müssen lernen, dass es mehr im Leben gibt als Tod und Zerstörung. Ich habe nicht vor, die einzige Frau auf dieser Insel zu sein.«
    »Frauen?«, fragte Wolf ehrfürchtig. »Es würde dort Frauen geben?«
    »Ich sehe keinen Grund, warum das nicht so sein sollte«, meinte ich. »Die Hälfte der Welt besteht aus Frauen.«
    Die Männer schauten zu Bran hin, und dann sahen sie einander an.
    »Wir haben zu tun«, sagte Schlange und kam auf die Beine. »Nachdenken. Planen. Ich werde mit dem Rest der Jungs reden. Was für eine Idee! Aber wer wird ihn fragen?«
    »Vielleicht solltet ihr Strohhalme ziehen.«
    Die Männer waren bereits tief in Diskussionen versunken, als sie zum Hauptlager zurückkehrten und mich mit Möwe allein ließen. Die begeisterte Stimmung verging sofort wieder. Bevor wir über die Zukunft nachdenken konnten, musste der Kampf dieser Nacht gewonnen werden.
    »Möwe«, sagte ich. »Es ist Neumond.«
    Er nickte und sagte kein Wort.
    »Wenn ich ihn heute Nacht nicht erreichen kann, ist alles vorbei. Lass mich jetzt lieber allein. Kein Licht. Lass das Feuer ausgehen.«
    »Wenn du sicher bist.«
    »Ich bin sicher. Ich verspreche dir, ich werde dich rufen, wenn ich dich brauche. Aber halte die anderen fern. Keine Unterbrechungen, oder ich könnte ihn verlieren.«
    Er nahm die Laterne, ging am Feuer vorbei davon und ließ mich im Dunkeln zurück. Johnny schlief. Ich legte meinen Arm um Bran und den Kopf neben seinen auf den Strohsack, mein Gesicht dicht an seinem eigenen. Er atmete flach, jeweils mit einer Pause vor dem Luftholen. An jedem Wendepunkt

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