Der Sohn der Schatten
dazu ausgebildet, die Ländereien zu verwalten, wie ich es getan hatte. Er musste schnell lernen. Elaine hat ihm viel geholfen; sie hat einen besseren Kopf dafür, als er je haben wird. Aber die Leute erinnern sich. Man hat mir nicht verziehen, was ich getan habe, und sie haben viele Forderungen an meinen Bruder gestellt. Selbst jetzt, all diese langen Jahre später, ist sein Weg alles andere als glatt.«
»Wie meinst du das?«
»Die Nachricht von Sorchas Tod hat ihn sehr bedrückt. Obwohl er eine Frau hat und seine Leute ihn achten, hat sein Herz immer deiner Mutter gehört. Diese Geschichte ist nie erzählt worden und wird auch nie erzählt werden. Ich glaube, er war kurz davor, zu verzweifeln. Er bat mich, zu bleiben, aber das war nicht möglich. Ich fürchte um ihn, Liadan. Harrowfield hat keinen Erben, und Edwin von Northwoods liegt schon auf der Lauer.«
»Keine Erben?«
»Sie haben keine Söhne. Die nächsten Blutsverwandten sind ich und Sean und … dieser Mann hier.« Er warf einen Blick auf Brans hohlwangiges Gesicht.
»Das verwirrt mich, Vater. Würdest du zurückkehren? Würdest du wieder Anspruch auf Harrowfield erheben?«
»Mein Bruder braucht Hilfe. Er braucht jemanden mit einer starken Hand und einem klaren Kopf; jemand, der seine Verteidigung wieder stärken und Northwoods deutlich machen kann, dass Harrowfield nicht einfach einzunehmen ist. Hätte Liam länger gelebt, wäre klar gewesen, was ich tun muss. Aber ich kann Sean nicht mit Sevenwaters allein lassen. Er ist noch jung, und so stark er auch sein mag, neigt er doch noch zu sehr dazu, übereilt zu handeln. Mit der Zeit wird er ein guter, fähiger Anführer sein, aber im Augenblick braucht er meine Hilfe, um seine Bündnisse wiederherzustellen und seine eigene Stellung zu festigen. Wir müssen mit den Uí Néill wieder von vorne beginnen. Meine erste Pflicht liegt bei meinem Sohn. Und ich habe auch meine Töchter nicht vergessen. Ich möchte, dass du in Sicherheit bist. Und Niamh … ich habe ihr unrecht getan und ich muss sicher sein können, dass ihre Zukunft in guten Händen liegt.«
»Aber was ist mit deinem Bruder? Besteht nicht die Gefahr, dass er Harrowfield verliert, wenn du wartest? Wenn Edwin sich auch noch Simons Besitz bemächtigt, haben wir überhaupt keine Chance mehr, die Inseln zurückzuerobern.«
»Du hast Recht, das ist ein Problem, denn es wäre dumm für mich oder Sean, zu versuchen, Ländereien auf beiden Seiten des Wassers zu halten. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit.« Wieder sah er den bewusstlosen Mann an.
»Bran?« flüsterte ich schockiert. »Das ist … doch sicher undenkbar …«
»Ich würde annehmen«, meinte Iubdan, »dass für einen solchen Mann nichts undenkbar und nichts unmöglich ist. Sagen sie das nicht über ihn?«
»Ja, aber …«
»Dieser Mann ist der Sohn meines Verwandten. Er ist im Tal von Harrowfield geboren. Nach allem, was ich höre ist er stark und fähig, wenn auch missgeleitet. Man könnte behaupten, dass Harrowfield sein Schicksal ist, Liadan, und das deine.«
»Es gibt so vieles, womit er zurechtkommen muss; er könnte sich dem nicht stellen. Noch nicht.«
»Glaubst du, es würde ihm an Mut fehlen, an den Schauplatz seines Alptraums zurückzukehren? Das passt nicht zu dem Anführer, von dem seine Männer mit solcher Hochachtung sprechen, einem Mann, der sich jeder Herausforderung gestellt hat. Es passt nicht zu der Liebe und Treue, die du ihm gibst.«
Ich schluckte. Seine Worte machten mir Angst, aber sie schlugen mich auch in ihren Bann. Das war wirklich ein Auftrag für den Bemalten Mann, der Aussicht auf eine bessere Zukunft bot. Aber zunächst mussten die Fesseln der Vergangenheit zerrissen werden.
»Vater«, sagte ich, »ich muss jetzt mit Bran allein sein. Möwe wird dir einen Platz suchen, wo du dich ausruhen kannst. Sag mir nur noch eins.«
»Was ist, Tochter?«
»Zeichne mir ein Bild von John und Margery, bevor sie dieser Schrecken überwältigte. Wie war es mit ihnen und ihrem kleinen Sohn?«
»John hielt Margery für das Kostbarste auf der ganzen Welt. Er hatte sie auf dem Hof ihres Vaters kennen gelernt. Er brachte sie mit sich nach Norden. Die Liebe der beiden leuchtete hell, vom ersten Augenblick an. John war ein Mann knapper Worte; einige nannten ihn schweigsam. Aber man konnte es in seinen Augen erkennen, wenn er sie ansah. Man konnte es an der Art sehen, wie sie einander berührten. Ein Kind haben sie kurz nach der Geburt verloren, und sie
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