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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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trauerten zusammen. Dann kam Johnny zur Welt und lebte. John war so stolz! Er schämte sich nicht, mit seinem kleinen Sohn zu spielen. Er warf ihn hoch in die Luft und fing ihn mit starken Händen wieder auf, wenn das Kind vor Entzücken kreischte. Es gab ein Feuer im Haus, und ich werde nie Johns Miene vergessen, als er nach oben rannte, um seinen Sohn zu retten, und nie den Ausdruck in Margerys Augen, als die beiden sicher herauskamen. Margery wachte über das Kind, und sie liebte es. Die Leute sagten, dass der Kleine schnell lernte. Er krabbelte früh, er lief früh, er konnte früh sprechen. Margery brachte ihm Zählen bei. Sie legte eine Reihe weißer Steine auf den Boden und spielte ein kleines Spiel. Eins, zwei, drei. Nie wurde ein Kind so liebevoll aufgezogen, Liadan.«
    »Danke, Vater«, sagte ich. »Es sind vielleicht diese Dinge, die ihn bisher durch die Schatten geführt haben. Heute Nacht werde ich es ihm erzählen. Und jetzt solltest du gehen.«
    »Dieser Mann hat tatsächlich großes Glück, ebenso wie ich«, sagte mein Vater leise. »Die Liebe einer solchen Frau ist ein unbezahlbares Geschenk. Ich hoffe, er versteht, wie wertvoll es ist.«
    »Wir haben beide ein solches Geschenk erhalten, er und ich«, sagte ich.
    »Ich habe noch eine kleine Geschichte zu erzählen, und dann werde ich tun, worum du mich bittest. Das ist etwas, was Margery sagte, etwas, was sie mir erzählte, bevor ich Harrowfield verließ. Ihr Sohn war am Mittwintertag zur Welt gekommen, vor der Morgendämmerung. Ich habe guten Grund, mich daran zu erinnern. Sie sagte, ein Kind, das an Mittwinter zur Welt kommt, erscheint am kürzesten Tag des Jahres. Von diesem Punkt an werden die Tage länger, und so geht ein Kind, das an Mittwinter geboren wurde, immer auf das Licht zu. Sein ganzes Leben lang. Der Junge lag in ihren Armen, als sie das sagte. Auch Sorcha war ein Mittwinterkind, und für sie hat diese kleine Prophezeiung sicher zugetroffen. Aber es scheint mir, dass dieser Mann es vergessen hat und nur das Dunkel sucht.«
    »Es scheint so. Aber das ist nur die Oberfläche. Tief drinnen gibt es ein kleines Licht, das immer noch brennt. Heute Nacht werde ich es finden.«
    »Du bist sehr überzeugt.«
    »Dritte Kampfregel: Zweifle nie an dir selbst. Und jetzt geh, denn uns bleibt nur wenig Zeit.«
    »Liadan.«
    »Was ist?«
    »Für dich ist das alles so einfach.«
    »Die Welt ist, glaube ich, grundlegend einfach. Leben, Tod. Liebe, Hass. Begehren, Erfüllung. Magie. Das ist vielleicht der einzig komplizierte Teil.«
    Er runzelte die Stirn. »Du versuchst, seine Wunden zu heilen. Ihn irgendwie zu erreichen und seine Sicht der Vergangenheit zu verändern. Das ist gefährlich, Liadan. Hast du nicht selbst gesagt, dass die Vergangenheit nicht umgeschrieben werden kann?«
    »Ich kenne die Gefahren. Ich bin darauf gefasst. Ich wappne mich mit Liebe, Vater. Ich versuche nicht, diese Wunden zum Verschwinden zu bringen, als hätte es sie nie gegeben. Ich weiß, dass er immer Narben tragen wird. Ich kann seinen Weg nicht breit und gerade machen. Er wird immer gewunden sein und neue Schwierigkeiten bringen. Aber ich kann seine Hand halten und an seiner Seite gehen.«

KAPITEL 16
    Möwe hatte das Feuer ausgemacht und die Laterne gelöscht. Ich nahm an, dass sowohl er als auch mein Vater jetzt im Dunkeln Wache standen. In der Herbstluft schaudernd, zog ich meine Stiefel, das Kleid, das Hemd, die Unterwäsche aus. Dann schlüpfte ich unter die Decken und legte mich neben Bran. Auf seiner anderen Seite schlief Johnny weiter, eine kleine, warme Präsenz neben seinem Vater. Es war vollkommen dunkel, nichts war zu erkennen. Oben, unten, links, rechts, alles war verschwunden. Man hätte nicht sagen können, ob es ringsumher Mauern gab oder nicht, ob wir frei waren oder eingeschlossen.
    Näher, hauchten die uralten Stimmen. Näher. Also schlang ich die Arme fest um Bran, Haut an nackte Haut. Ich konnte seinen Herzschlag spüren, mein Atem im Gleichklang mit seinem. Schon besser, murmelten die Stimmen. Bleib ganz nah. Lass nicht los. Heute Nacht gibt es kein Licht, aber er hat dich.
    Und diesmal hörte ich ihn sofort, beinahe, als hätte er auf mich gewartet.
     … dunkel … zu dunkel … eins, zwei, drei  … zu dunkel …
    Es ist Neumond. Es war schon öfter so, aber diesmal ist es anders. Ich bin hier bei dir.
     … zu dunkel … kann nicht  … zu lange …
    Sie hat gesagt, sie würde dich holen kommen, aber sie konnte nicht zurückkommen,

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