Der Sohn des Alchemisten
Sachen«, fiel ihm Marie genervt ins Wort. »Ich lege sie oben auf meinen Strohballen. Du wirst genug damit zu tun haben, dich selbst über Wasser zu halten.«
Schweigend wateten sie in den Fluss, Jorge schnell und zielstrebig, Pepe und Gil hüpfend, Jakob auf Zehenspitzen. Vor sich her schob jeder seinen Strohballen ins kühle Wasser.
Marie verlagerte vorsichtig ihr Gewicht. Ja, das Stroh schien sie gut zu tragen. Zuerst war der Fluss noch seicht und sandig, bald aber konnte sie spüren, wie die Strömung nach ihren Beinen griff.
»Achtung«, rief Jorge ihnen zu, »jetzt wird es tief!«
»Hilfe, ich ertrinke!«, schrie Jakob verzweifelt, als er merkte, dass er keinen Boden mehr unter den Füßen hatte.
»Quatsch, halt dich an deinem Stroh fest, du Hampelmann«, rief Jorge. »So! Sehr gut! Und jetzt strample mit den Füßen! Na, wer sagt’s denn!«
Auch Marie strampelte, was sie konnte. Sie merkte, wie sich ihr Getreidebündel nach und nach immer tiefer unter Wasser senkte. Das Stroh sog sich voll.
»Ah!«, schrie Jakob. Beinah hätte er sein Stroh losgelassen. »Ich treibe weg!«
»Halt dich fest! Weiterstrampeln!« Mit einer Hand gelang es Marie, Jakob am Arm zu packen und Richtung Ufer zu schieben.
»Nur noch ein kleines Stück«, rief Pepe. »Dort vorne bei dem Felsen kann man wieder stehen!«
Bald fühlten die Kinder wieder Grund unter den Füßen. Keuchend und triefend erreichten sie das andere Flussufer.
»Mensch! Beinah wäre es um mich geschehen gewesen«, zeterte Jakob und warf sich schnaufend ins Gras. »Ihr habt ja tolle Ideen!«
»Was regst du dich auf, du bist ja noch am Leben«, meinte Gil.
»Aber meine Hose ist nass geworden«, rief Jakob, als er seine Sachen zusammensammelte. Alle lachten, nur Jakob schaute recht unglücklich drein.
»Eines aber ist trocken geblieben«, sagte Marie leise. »Dein Bündel.«
»Also? Schlagt ihr ein?« Pepe schaute Marie und Jakob gespannt an. »Ihr werdet den zweiten Teil der Aufnahmeprüfung schon bestehen!«
Es war Mittag geworden und die Kinder saßen auf einigen Felsen, weit über dem Fluss.
»Überlegt es euch gut«, sagte Jorge. »So eine Aufnahmeprüfung ist schließlich kein Kinderspiel! Das habt ihr ja schon gemerkt!«
»Du bist so aufbauend, Jorge!«, Gil schlug ihm den Hut vom Kopf. »Nicht vergessen, was wir besprochen hatten! Ein Mädchen und ein gebildeter Pilger! Eine bessere Tarnung gibt es kaum!«
»Sagst du«, grummelte Jorge und setzte sich seinen Hut wieder auf. »Aber es ist schon ein Risiko, jemanden aufzunehmen, der nicht schwimmen kann und selten die Klappe hält –«
»Ach, wisst ihr«, begann Jakob, da unterbrach ihn Marie.
»Wir brauchen Bedenkzeit«, sagte sie und zog Jakob zur Seite.
»Aber denkt nicht zu lange«, rief ihnen Jorge hinterher. »Wir fragen euch nicht noch einmal! Ihr solltet euch geehrt fühlen, dass wir überhaupt daran denken, euch in unsere Bande aufzunehmen!«
»Wieso bitte schön brauchst du Bedenkzeit?«, fragte Jakob entrüstet, als sie außer Hörweite waren. »Was sollen wir mit diesen drei dahergelaufenen Kerlen? Wir suchen meinen Vater und fertig! Wir sind keine Diebe und wollen auch keine werden!«
»Jetzt denk doch mal nach«, unterbrach ihn Marie. »Die drei kennen sich gut aus. Sie wissen, wie sie an Essen herankommen. Sie wissen, wo der Weg nach Santiago weiterführt. Hast du nicht gehört? Sie ziehen den Pilgerweg immer hinauf und hinunter, um als Diebe zwischen den Pilgern nicht aufzufallen. Das ist doch
die
Chance für uns!«
»Wieso?« Jakob verstand immer noch nicht. »Wir können froh sein, dass sie uns nicht auch bestohlen haben!«
»So ein Blödsinn!«, redete Marie auf ihn ein. »Warum sollen sie uns denn bestehlen? Pepe hat uns am Markt sogar gerettet, hast du das schon vergessen? Sie sind einfach arme Straßenkinder! Und jetzt überleg einmal, Jakob – etwas anderes sind wir doch bei Tageslicht betrachtet auch nicht!«
»Ich bin nicht arm!«, protestierte Jakob.
»Vielleicht
warst
du einmal reich«, widersprach Marie, »aber leider hängt der Sack mit deinen Kupferstücken gemeinsam mit deinen schönen Würsten an einem Maultier, von dem wir nicht einmal wissen, ob es bei den Räubern oder bei deinem Vater geblieben ist!«
Jakob schwieg.
»Hast du schon einmal überlegt, was passiert, wenn wir deinen Vater nicht bald finden? Wir können jede Hilfe brauchen«, fuhr Marie energisch fort. »Dieses dumme Buch in deinem Bündel bringt uns ganz schön in Gefahr! Wenn
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